Astronomie

„Sternenuhren“ laufen asynchron

Unterschiedlich alte Weiße Zwerge in offenem Sternenhaufen verblüffen Astronomen

Sternenhaufen NGC 6791 © NASA/STScI

Stellen Sie sich vor, Sie hätten drei Uhren in ihrem Computer, aber jede zeigt eine andere Zeit – so ungefähr lässt sich umschreiben, was Astronomen jetzt im offenen Sternenhaufen NGC 6791 entdeckt haben. Wie sie im „Astrophysical Journal“ berichten, fanden sie mehrere unterschiedlich alte „Sternenuhren“ – Gruppen von Weißen Zwergen, die normalerweise der Datierung ihres Umfelds dienen.

Weiße Zwerge sind die glühenden Reste von sonnenähnlichen Sternen, deren Fusionsreaktor ausgebrannt ist. Da diese alten Sterne in einer berechenbaren Rate abkühlen, sind sie für Astronomen ein wertvoller Zeitgeber. Anhand ihrer Temperatur lässt sich ihr Alter und damit auch das ihres Sternenclusters gut bestimmen. Denn in der Regel sind sie die ältesten Sterne in einer solchen Ansammlung.

Drei Sternenuhren in einem Cluster

Mit rund 10.000 Sternen ist NGC 6791 einer der größten und ältesten bekannten offenen Sternenhaufen. In diesem in der Konstellation Lyra liegenden Cluster entdeckten Astronomen nun mithilfe des Weltraumteleskops Hubble gleich drei unterschiedliche „Sternenuhren“: Zwei Gruppen von Weißen Zwergen, eine vier, die andere sechs Milliarden Jahre alt und normale Sterne, die auf acht Milliarden Jahre datiert wurden.

„Die Altersunterschiede sind ein Problem, denn Sterne in einem offenen Sternenhaufen sollten eigentlich alle gleich alt sein”, erklärt Luigi Bedin, Astronom am Space Telescope Science Institute in Baltimore. „Sie bilden sich zur gleichen Zeit innerhalb einer großen Wolke aus interstellarem Staub und Gas. Daher waren wir wirklich erstaunt über das, was wir dort vorfanden.“

„Diese Entdeckung bedeutet, dass es da etwas über die Entwicklung von Weißen Zwergen gibt, das wir noch nicht verstanden haben”, ergänzt sein Kollege Ivan King von der Universität von Washington.

Doppelsysteme als Teillösung

Nach eingehender Analyse kamen die Astronomen zumindest für die beiden Gruppen von Weißen Zwergen auf eine Erklärung: Möglicherweise besteht die jünger erscheinende Gruppe vorwiegend aus Doppelsternen, die zwar ähnlich alt sind wie die Vertreter der älteren Gruppe, aber durch ihr paarweises Auftreten heller und damit jünger erscheinen.

Da Doppelsterne in diesem und anderen Sternenhaufen normalerweise durchaus häufig vorkommen, erscheint diese Erklärung wahrscheinlich. Allerdings ist dies das erste Mal, dass Doppelsysteme bei Weißen Zwergen entdeckt worden sind. „Unsere Demonstration, dass Doppelsysteme die Ursache für die Anomalie sind, ist eine elegante Lösung für ein scheinbar unerklärliches Rätsel”, erklärt Giampaolo Piotto von der Universität von Padua in Italien.

Bremsender Prozess gesucht

Damit bleiben Piotto und seinen Kollegen noch zwei Altersstufen, die sie miteinander vereinbaren und erklären müssen: die acht Milliarden Jahre alte „normale“ Sternenpopulation und die sechs Millionen Jahre alten Weißen Zwerge. Aber auch hier haben die Astronomen bereits eine Idee. Sie tippen darauf, dass es einen Prozess geben muss oder gegeben hat, der die Entwicklung der Weißen Zwerge in NGC 6791 verlangsamt haben muss. Was das aber sein könnte, darüber herrscht noch Unklarheit.

(NASA/STScI, 15.07.2008 – NPO)

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