Geowissen

Stirbt das Tote Meer?

Wissenschaftler wollen alarmierendes Absinken des Wasserspiegels stoppen

Der Wasserspiegel im Toten Meer – dem tiefsten Punkt der Erde – sinkt mit alarmierender Geschwindigkeit. Dies berichten Darmstädter Wissenschaftler jetzt in der Online-Version der Springer-Fachzeitschrift „Naturwissenschaften“. Die neue Studie belegt auch, dass das langsame „Sterben“ des Gewässers nicht auf Klimaänderungen zurückzuführen ist, sondern auf den stetig zunehmenden Wasserverbrauch durch den Menschen in der Region.

Die Ergebnisse der Forscher um Shahrazad Abu Ghazleh von der Technischen Universität Darmstadt haben weitreichende Folgen für die Umwelt und die Nutzung des Toten Meeres. Die geplanten Kanäle vom Roten Meer beziehungsweise vom Mittelmeer zum Toten Meer benötigen deshalb dringend eine hohe Förderleistung zur Wiederherstellung des früheren Normalspiegels im Toten Meer. Gleichzeitig können die Kanäle wegen des Gefälles zur nachhaltigen Stromerzeugung und zur Frischwassergewinnung durch Entsalzung genutzt werden.

Dramatischer Wasserverlust

Normalerweise spiegelt der Wasserstand eines abflusslosen Gewässers wie dem Toten Meer die klimatischen Verhältnisse wider. Er steigt in feuchten und fällt in trockenen Jahren, je nach der Bilanz zwischen Zuflüssen aus dem Einzugsgebiet plus direktem Niederschlag minus dem Verlust durch Verdunstung. Im Falle des Toten Meeres ist die Änderung des Wasserspiegels jedoch auf den intensiven Wasserverbrauch aus dem Jordan und dem Yarmouk zu Bewässerungszecken sowie auf die Verwendung des Wassers aus dem Toten Meer durch die Kaliindustrie in Israel und Jordanien zurückzuführen.

Der neuen Studie zufolge hatte dieser Wasserverbrauch in den vergangenen 30 Jahren ein beschleunigtes Sinken des Wasserspiegels (0,7 Meter pro Jahr), des Wasservolumens (0,47 Kubikkilometer pro Jahr) sowie der Fläche (vier Quadratkilometer pro Jahr) zur Folge.

Wassermangel sorgt für Probleme

Abu Ghazleh und ihre Kollegen entwickelten ein Modell zur Berechnung der Bodenfläche und des Wasservolumens im Toten Meer und fanden heraus, dass dem See in den vergangenen 30 Jahren 14 Kubikkilometer Wasser verloren gegangen sind. Der absinkende Wasserstand hinterließ Verebnungen an den Seeufern – so genannte Erosionsterrassen – die von den Forschern zum ersten Mal mit Hilfe von DGPS (Differential Global Positioning System)-Feldmessungen kartiert wurden. Die Terrassen konnten dabei bestimmten Jahren zugeordnet werden.

Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass dieses rasche Absinken des Wasserstandes im Toten Meer eine Reihe von Nachteilen mit sich bringt. So zum Beispiel höhere Pumpkosten für die Fabriken, die das Gewässer zur Gewinnung von Kali, Salz und Magnesium nutzen, ein beschleunigter Abfluss von Frischwasser aus den umliegenden tieferen Wasserschichten, zurückgehende Küstenlinien, die es den Touristen erschweren zur medizinischen Behandlung ins Wasser zu gelangen sowie die Bildung von tückischen Hohlräumen im Erdreich, die zuweilen einbrechen und zu schweren Schäden an Gebäuden und Straßen führen.

Kanäle als letzte Rettung

Um dem wachsenden Druck auf die Wasservorräte im Becken des Toten Meeres und den Umweltrisiken durch den sinkenden Wasserpegel gerecht zu werden, schlagen die Forscher vor, die Umleitung von Wasser des Jordans zur Mittelmeerküste durch Meerwasserentsalzung zu ersetzen. Dies würde die Absenkung des Toten Meeres erheblich verringern, und Zeit gewinnen um Langzeitalternativen wie beispielsweise Rotes Meer-Totes Meer oder Mittelmeer-Totes Meer Kanäle in Betracht ziehen zu können.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Kanäle eine Förderleistung von mehr als 0,9 Kubikkilometer pro Jahr haben müssen, um den Normalpegel des Sees von vor 30 Jahren wieder herzustellen und den Seespiegel dort zu halten. Das Gefälle zum Toten Meer kann dann für eine nachhaltige Energieerzeugung und damit auch für die Erzeugung von Frischwasser durch Entsalzung genutzt werden. Zusätzlich würde das Kanalprojekt gewährleisen, dass der Tourismus und die Kaliindustrie an beiden Ufern des Toten Meeres aufrechterhalten werden kann.

(Springer-Fachzeitschrift Naturwissenschaften, 05.03.2009 – DLO)

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