Physik

Stoppuhr für Quantensprünge

Physiker messen erstmals den genauen Zeitverlauf der Photoionisation

Wenn Helium durch einen Laserpuls ein Elektron verliert, dann bleibt ein Elektron übrig. Wo sich dieses am wahrscheinlichsten aufhält, zeigt diese Grafik. © Schultze/Ossiander

Atomarer Rekord: Forscher haben einen fundamentalen Effekt von Licht auf Materie so genau vermessen wie noch nie. Sie beobachteten, wie schnell die Energie eines Lasers auf Elektronen in einem Heliumatom übertragen wird. Erstmals gelang es ihnen dabei, das Tempo der Ionisation und der Anregung durch Licht zu messen – bis auf wenige hundert Zeptosekunden genau, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Physics“ berichten.

Diesen Effekt erkannte schon Albert Einstein: Wenn energiereiches Licht auf ein Atom fällt, dann überträgt es einen Teil seiner Energie an dessen Elektronenhülle. Je nach Energiemenge führt dies dazu, dass einzelne Elektronen in einen angeregten, energiereicheren Zustand wechseln oder aber ganz aus dem Atom geschleudert werden. Dass diese Reaktion der Elektronen auf Licht leicht verzögert erfolgt, konnten Physiker bereits mit Hilfe ultrakurzer Laserpulse messen.

Blick ins Heliumatom

Jetzt haben Marcus Ossiander vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und seine Kollegen den Blick in das ultraschnelle atomare Geschehen noch einen Schritt weiter getrieben. Sie setzten dafür Heliumatome einem energiereichen Extrem-UV-Laserpuls aus. Typischerweise wird dabei ein Elektron durch Photoionisation des Heliums abgetrennt. Manchmal, aber nicht immer, kommt es dabei gleichzeitig zu einer Anregung des zweiten Helium-Elektrons.

Die Abfolge und das Tempo dieser beiden Prozesse haben die Forscher nun erstmals zeitlich vermessen und verglichen. Um das zu erreichen, nutzten die Forscher einen zweiten Laserstrahl mit infraroten Femtosekundenpulsen als Messhilfe. Durch ihren speziellen Experimentsaufbau gelang es ihnen, das Geschehen bis auf 850 Zeptosekunden genau zu vermessen – das entspricht 850 Billlionsteln einer Milliardstel Sekunde.

Ein Laserpuls trifft auf ein Heliumatom und entreißt ihm ein Elektron. © TU Wien

Auf zwei verteilt geht es schneller

Dabei zeigte sich: Beide Varianten der Ionisation dauern nicht gleich lang – es macht einen Unterschied, ob nur ein Elektron angeregt und ausgeschleudert wird oder ob ein Teil der Energie auf das zweite Elektron mit übertragen wird. „Wenn das verbleibende Elektron einen Teil der Energie abbekommt, dann läuft der Photoionisations-Prozess schneller ab – um etwa fünf Attosekunden“, berichtet Koautor Stefan Nagele von der TU Wien.

Den Forschern sind damit zwei Dinge gelungen: Zum einen haben sie erstmals den genauen Zeitpunkt der Photoionisation in einem Atom absolut bestimmt. Zum andern aber haben sie herausgefunden, wie sich der zeitliche Ablauf verändert, wenn die Lichtenergie auf ein zweites Elektron verteilt wird.

Das Experiment liefert damit neue Einblicke in die Physik ultrakurzer Zeitskalen. Was man vor wenigen Jahrzehnten noch als plötzlich oder instantan ansah, lässt sich heute als zeitliche Entwicklung betrachten, die man dank ultrakurzer Laserblitze und modernster Messtechnik berechnen, messen und sogar kontrollieren kann. (Nature Physics, 2016; doi: 10.1038/nphys3941)

(TU Wien/ TU München/ Max-Planck-Institut für Quantenoptik, 09.11.2016 – NPO)

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