Teure Treffer: Ein neues System könnte künftig Flugzeuge vor Blitzeinschlägen schützen – indem es den Flugzeugrumpf rechtzeitig unter Strom setzt. Dies verhindert das Entstehen der Ladungsdifferenzen an der Flugzeughülle, die normalerweise die Blitze anziehen. In ersten Tests mit Modellen reduzierte dies die Blitztreffer immerhin um die Hälfte, wie die Forscher berichten. Sollte dies auch bei echten Flugzeugen funktionieren, könnte dies den Airlines teure Checkups und Reparaturen ersparen.
Jedes kommerzielle Flugzeug wird im Schnitt einmal pro Jahr vom Blitz getroffen – obwohl die Piloten meist versuchen, Gewitterwolken zu umfliegen. Im Gegensatz zu Blitztreffern ungeschützter Personen auf der Erde bleibt ein Blitzschlag in ein Flugzeug in den meisten Fällen folgenlos. Die Flugzeughülle schützt Passagiere und Technik vor der enormen Spannung des Blitzes – jedenfalls wenn die Hülle metallisch ist.
Hüllen aus Verbundmaterial sind anfälliger
Doch inzwischen werden immer mehr Flugzeugrümpfe aus nichtmetallischen und daher nichtleitenden Verbundwerkstoffen gefertigt. „Moderne Flugzeuge bestehen zu rund 50 Prozent aus Verbundmaterial, das verändert die Lage entscheidend“, erklärt Carmen Guerra-Garcia vom Massachusetts Institute of Technology. An den schlecht leitenden Hüllenteilen kann sich Ladung anstauen und die sensible Elektronik des Flugzeugs stören. Sogar Funken können entstehen.
„Blitzschäden an solchen Flugzeugen sind ganz anders als an metallischen Rümpfen und die Reparaturen an einem Flugzeug aus Verbundmaterial sind erheblich teurer“, erklärt die Forscherin. Die Flugzeugbauer versuchen, solche Schäden durch die Integration eines durchgehenden Metallnetzes in die Rumpfpaneele zu verhindern. Noch besser wäre es allerdings, Blitztreffer von vornherein zu verhindern.
Anziehende Plasmaströme“
Eine mögliche Lösung haben nun Guerra-Garcia und ihre Kollegen entwickelt. Ihre Idee: Eine Art elektrische „Tarnkappe“ für Flugzeuge. Denn fliegt ein Flugzeug in das elektrische Feld einer Gewitterwolke, kommt es zu einer Ladungsverschiebung entlang des Rumpfes, wie die Forscher erklären. Ein Ende wird dadurch stärker positiv geladen, das andere negativ.
Dadurch jedoch bilden sich Ströme von leitfähigem Plasma an der Außenhaut des Flugzeugs, die beide Pole verbinden. „Wenn diese Ströme die Wolke oder den Grund erreichen, schließt sich der Kreis und Spannung fließt“, erklärt Guerra-Garcia. Das Flugzeug wird dadurch zum anziehenden Pol für die Blitzladungen. „Im schlimmsten Fall erreichen sie 100.000 Ampere – und dann gibt es starke Schäden“, so die Forscherin.
Elektrische „Tarnkappe“
An diesem Punkt setzt die „Tarnkappe“ der Forscher an: Sie haben ein System aus Sensoren entwickelt, das das elektrische Feld in der Umgebung und die sich entwickelnden Ladungsunterschiede am Flugzeugrumpf erkennt. Drohen sich Plasmaströme aufzubauen, gibt das System sofort Spannung ab, die die Ladungsunterschiede ausgleicht.
„Damit versuchen wir das Flugzeug so unsichtbar wie möglich für die Blitze zu machen“, erklärt Koautor Jaime Peraire vom MIT. Erste Tests mit einem vereinfachten Modell eines Flugzeugrumpfes und einem Prototyp des Systems im Windkanal ergaben, dass sich dadurch die Blitztreffer um die Hälfte reduzieren lassen. „Wenn ein Flugzeug in eine Gewitterwolke fliegt und sich das elektrische Feld langsam aufbaut, dann können wir das Flugzeug damit rechtzeitig anpassen“, so die Forscher. Als nächstes wollen sie unter anderem Tests mit Drohnen durchführen, die sie in Gewitterwolken fliegen.
Noch allerdings muss das System weiter optimiert werden, wie die Wissenschaftler erklären. Denn bisher reagieren die Sensoren und Stromquellen an der Hülle zwar schon in Sekundenbruchteilen. Für einige Arten von Blitzen ist dies jedoch noch immer zu langsam. Zudem müsse noch getestet werden, wie sich dieses System bei kommerziellen Flugzeugen implementieren lässt, so die Forscher. (American Institute of Aeronautics and Astronautics Journal, 2018)
(Massachusetts Institute of Technology, 12.03.2018 – NPO)