Materialforschung

Superkleber wird reversibel

Von Schneckenschleim inspirierter Klebstoff klebt extrem fest und trotzdem reversibel

Schnecke
Schneckenschleim ist ein geniales Patent der Natur, denn besitzt eine starke Haftkraft und löst sich dennoch leicht wiedder vom Untergrund. Nach diesem Vorbild haben nun Forscher ein Klebegel entwickelt. © Younghee Lee

Von der Natur abgeschaut: Forscher haben einen Klebstoff entwickelt, der so stark haftet wie ein Sekundenkleber, aber reversibel ist. Mit nur vier Quadratzentimeter Klebefläche kann dieser neue Superkleber sogar einen Menschen halten. Doch wenn man ihn wieder befeuchtet, löst er sich ab und kann wiederverwendet werden. Möglich wird dies durch ein spezielles Polymer-Gel, dessen Struktur vom Klebeschleim der Schnecken inspiriert ist, wie die Wissenschaftler berichten.

Wenn es um Klebstoffe geht, ist die Natur uns weit voraus. Denn ihre Kleber halten Muscheln oder Seepocken selbst unter Wasser am Untergrund fest, kleben die Pollenpakete der Bienen zusammen oder lassen Geckos, Fliegen und andere Tiere an glatten Wänden hinauflaufen. Längst haben auch Ingenieure und Chemiker diese Patente der Natur für sich entdeckt und sie für Klebstoffe und technische Anwendungen nachgeahmt.

Bisher geht nur superklebend ODER reversibel

Doch es gibt einen Haken: Die meisten Klebstoffe sind entweder stark haftend oder reversibel – nicht aber beides. Gängige flüssige Klebstoffe wie beispielsweise Sekundenkleber entfalten eine große Haftkraft von rund 1.000 Newton pro Quadratzentimeter, lassen sich aber nicht zerstörungsfrei wieder lösen. Demgegenüber können Hydrogele oder nanostrukturierte Haftstrukturen nach dem Gecko- und Klettenprinzip immer wieder gelöst und neu geklebt werden. Diese reversiblen Kleber jedoch haften deutlich schwächer und nicht auf allen Oberflächen.

„Ob man überhaupt ein Material entwickeln kann, das auf allen Oberflächen funktioniert und trotzdem reversibel so stark klebt wie ein flüssiger Klebstoff, ist eine offene Frage“, konstatieren Hyesung Cho von der University of Pennsylvania und sein Team. Doch in der Natur gibt es ein Vorbild für einen solchen Superkleber: den Schleim von Schnecken. Er bildet beim Trocknen eine extrem haltbare, feste Verbindung zum Untergrund und erlaubt es den Tieren, selbst an senkrechten Wänden zu kleben, aber diese Verbindung auch wieder zu lösen.

Wandelbares Polymer-Gel

Cho und sein Team haben nach einem synthetischen Material gesucht, das nach ähnlichem Prinzip haftet wie der Schneckenschleim – und sie wurden fündig. Ein Polymer-Gel mit der sperrigen Bezeichnung Poly(2-hydroxyethylmethacrylat), kurz PHEMA, scheint die gewünschten Klebeeigenschaften zu bieten. Dieses Gel wechselt je nach Wassergehalt reversibel von einem weichen, elastischen Zustand in einen glasartig harten mit hoher Klebekraft.

„Im hydratisierten Zustand verhält sich dieses Gel wie eine Flüssigkeit: Es passt sich wegen seiner weichen Oberflächenschicht leicht an die Form des Untergrunds an“, berichten die Forscher. „Wenn das Gel trocknet, wird es zunehmend glasartig und behält dabei die angenommene Form.“ Dadurch verkeilt sich dieses Klebegel quasi in der Klebefläche und entwickelt eine große Haftkraft sowohl auf rauen wie auf glatten Oberflächen, wie die Versuche ergaben.

Klebegel-Test
Diese Testperson hängt nur an zwei kleinen Klebepads aus PHEMA-Gel. © Shu Yang

Hält sogar einen Menschen in der Luft

Im Experiment erreichte das PHEMA-Klebegel eine Haftkraft von bis zu 1.058 Newton pro Quadratzentimeter. „Das ist mit den Werten von Superklebern vergleichbar“, sagen Cho und sein Team. Wie gut schon kleine Gelplättchen halten, demonstrierten sie in einem Versuch, bei dem sie eine 87 Kilogramm schwere Testperson nur an zwei Klebstreifen von je zwei Quadratzentimetern Fläche aufhängten.

Umgekehrt eignet sich das Klebegel auch für feinste, sensible Oberflächen, wie weitere Experimente demonstrierten. In einem Test klebten die Forscher zwei von Nanoporen durchsetzte Filternetze mit diesem Gel zusammen. Dies gelang, ohne dass der Kleber in die Poren rann und so den Filter verstopfte. „Möglich ist dies, weil die quervernetzte Polymerstruktur ein fast unendlich großes Molekülgewicht hat und einzelne Ketten nicht in die Poren eindringen können“, erklären die Forscher.

In einem weiteren Test nutzten Cho und sein Team das PHEMA-Gel, um die Flügelschuppe eines Morpho-Schmetterlings abzulösen, ohne die feine Nanostruktur der Schuppe zu beschädigen. „Dies wäre mit einem Flüssigkleber unmöglich“, sagen die Forscher.

Vollkommen reversibel

Der Clou jedoch: Trotz seiner großen Haftkraft ist dieses Klebegel vollständig reversibel. Wenn man es befeuchtet, kehrt es in seinen hydratisierten, weichen Zustand zurück. Dadurch löst sich das Gel von selbst und rückstandsfrei vom Untergrund, wie die Forscher berichten. Im Gegensatz zu reversiblen Haftmaterialien nach dem Prinzip von Geckofüßen oder dem Klettverschluss hängt diese reversible Bindung beim PHEMA-Gel nicht von einer Nanostruktur seiner Oberfläche ab. Verantwortlich sind stattdessen Eigenschaften des Gels selbst.

„PHEMA ist damit einzigartig: Die perfekte Kombination seiner physikalischen Eigenschaften ist der Schlüssel zu seiner superstarken und reversiblen Klebekraft“, konstatieren Cho und seine Kollegen. Weil die Adhäsion dieses Klebegels nicht von einer Nanostruktur abhängt, lasse sich dieser Kleber zudem für praktische Anwendungen leicht skalieren. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019; doi: 10.1073/pnas.1818534116)

Quelle: PNAS

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