Physik

Teilchenphänomen im Quantencomputer

Erste Quantensimulation der Teilchen-Antiteilchen- Bildung im Vakuum

Physiker haben mit einem Quantencomputer erstmals die spontane Entstehung von Elementarteilchen-Paaren aus einem Vakuum simuliert. © IQOQI/ Harald Ritsch

Wegweisender Brückenschlag: Forscher haben erstmals ein fundamentales Phänomen der Teilchenphysik in einem Quantencomputer simuliert. Mit Hilfe einer Ionenfalle und Lasern testeten sie, ob aus einem Vakuum spontan Paare von Teilchen und Antiteilchen entstehen können – mit Erfolg, wie sie Fachmagazin „Nature“ berichten. Dieser methodische Brückenschlag könnte eine neue Ära in der Erforschung fundamentaler Kräfte und Teilchen-Wechselwirkungen eröffnen.

Der gängigen Quantentheorie nach ist das Vakuum des Alls nicht leer. Stattdessen bilden sich dort ständig extrem kurzlebige Paare aus virtuellen Teilchen und Antiteilchen. Einer Hypothese nach könnte diese Quantenfluktuation sogar hinter der rätselhaften Dunklen Energie stecken. Auch am Ereignishorizont von Schwarzen Löchern sollen solche Teilchenpaare entstehen und dafür sorgen, dass Information nicht komplett verloren geht, wie der Kosmologe Stephen Hawking postulierte.

Spontane Paarbildung im Vakuum

Das Problem dabei: Die sogenannten Eichfeldtheorien, die die spontane Entstehung von Teilchen-Antiteilchen-Paaren und andere Wechselwirkungen von Elementarteilchen beschreiben, ließen sich bisher nicht direkt beobachten und auch nur schwer simulieren. „Hier stoßen numerische Berechnungen auf klassischen Computern extrem rasch an ihre Grenzen“, erklärt Christine Muschik von der Universität Innsbruck.

Nun jedoch ist es den Forschern erstmals gelungen, die spontane Bildung von Teilchenpaaren zu simulieren – indem sie das Geschehen in einem Quantensimulator nachbildeten. „Ein von uns neu entwickeltes Konzept ermöglicht es nun, die spontane Entstehung von Elektron-Positron-Paaren aus dem Vakuum auf einem Quantencomputer zu simulieren“, sagt Muschik.

In einer solchen Paul-Falle können Ionen festgehalten und manipuliert werden. Sie bildet die Basis für die Quantensimulation. © University of Calgary/ CC-by-sa 3.0

Ionen in der Magnetfalle

Das Quantensystem besteht aus vier Kalzium-Ionen, die im elektromagnetischen Feld einer Paul-Falle gefangen sind und durch Laserpulse kontrolliert werden. „Je zwei Ionen repräsentieren ein Paar aus Teilchen und Antiteilchen“, erklärt Muschiks Kollege Esteban Martinez. „Mit Laserpulsen simulieren wir zunächst ein elektromagnetisches Feld in einem Vakuum. Dann können wir beobachten, wie aus der Energie dieses Feldes aufgrund von Quantenfluktuationen Teilchenpaare entstehen.“

Die Quantenzustände, die die Ionen in diesem Feld annehmen, verraten dabei, ob im Vakuum durch Quantenfluktuation tatsächlich Teilchenpaare entstehen würden – und unter welchen Umständen. „Ob Teilchen oder Antiteilchen erzeugt werden, weisen wir mit Hilfe der Fluoreszenz der Ionen nach“, berichtet Martinez. „Verändern wir die Parameter des Quantensystems, können wir den dynamischen Prozess der Paarbildung mitverfolgen und studieren.“

Brücke zwischen Quantensimulation und Teilchenphysik

Und tatsächlich: In ihrem Quantencomputer gelang es den Physikern, die spontane Entstehung von Teilchen-Antiteilchen-Paaren aus einem Vakuum zu simulieren. Damit haben sie erstmals die Quantensimulation auf eine Fragestellung der Teilchenphysik angewendet – ein Fachgebiet, das normalerweise durch Experimente wie dem Teilchenbeschleuniger LHC am CERN erforscht wird.

Blick in den Tunnel des LHC © Maximilien Brice/ CERN

„Diese beiden Zugänge ergänzen sich perfekt“, sagt Peter Zoller von der Universität Innsbruck. „Wir können die Experimente in Teilchenbeschleunigern zwar nicht ersetzen. Mit der Entwicklung von Quantensimulatoren lassen sich diese Experimente aber möglicherweise einmal besser verstehen.“ Sie sind überzeugt, dass zukünftige Quantensimulatoren das Potential haben werden, wichtige Probleme der Hochenergiephysik zu lösen.

„Ein Leuchtturm der Physik“

Dieser Ansicht ist auch Erez Zohar vom Max-Planck-Institut für Quantenphysik: „Das Experiment von Martinez und seinen Kollegen ist ein Leuchtturm, der auch andere Teilchenphysiker in das ‚gelobte Land‘ einer experimentellen Umsetzung führen wird“, konstatiert er in einem begleitenden Kommentar. Denn es belegt, dass die Nutzung quantenoptischer Technologie für die Erforschung von fundamentalen Kräften und Teilchen möglich ist.

Im Prinzip haben die Physiker damit genau das umgesetzt, was schon der US-Physiker Richard Feynman postulierte: „Um das Verhalten von Quantensystemen zu untersuchen, muss man andere Quantensysteme nutzen – Quantencomputer.“ (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature18318)

(Nature/ Universität Innsbruck, 23.06.2016 – NPO)

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