Limit für Atome: Physiker haben erstmals das Maximal-Tempo für den Transfer von atomaren Quantenzuständen bestimmt. Ihr Experiment bestätigt, dass das Tempolimit für solche Quanten-Operationen niedriger liegt als für einfache Zustandswechsel. Gleichzeitig enthüllt es, dass die Atome durch „Ruckeln“ schneller heil ans Ziel kommen. Diese Erkenntnis ist unter anderem für Quantencomputer hilfreich, wie die Forscher erklären.
Update: Interview zu diesem Experiment und seiner Bedeutung.
Im Quantenreich geht vieles, das in unserer makroskopischen Welt physikalisch unmöglich wäre. Dazu gehört unter anderem die Übertragung von Quantenzuständen beispielsweise über verschränkte Photonen – eine Art Teleportation. Doch selbst in der Welt der kleinsten Teilchen können die Dinge nicht unendlich schnell ablaufen, wie die sowjetischen Physiker Leonid Mandelstam und Igor Tamm in den 1940er Jahren theoretisch bewiesen.
Durch die Energieunschärfe begrenzt
Diesem Quanten-Tempolimit zufolge benötigen Quantenobjekte eine gewisse Minimalzeit, um zwischen zwei unterscheidbaren Zuständen zu wechseln – beispielsweise für das Umklappen eines Spins bei einem Elektron. Der Grund ist eine enge Verknüpfung mit der Energie dieser Systeme: Mandelstam und Tamm zufolge hängt die maximale Geschwindigkeit eines Quantenprozesses von der Energieunschärfe ab: Je mehr energetische Freiheiten ein Teilchen hat, desto schneller kann der Prozess ablaufen.
Vergleichbar ist dies mit dem Transport eines vollen Glases auf einem Tablett: Will man es so schnell wie möglich zu einem entfernten Tisch bringen, ohne etwas zu verschütten, muss man die Beschleunigung ausgleichen: Anfangs neigt man das Tablett in Bewegungsrichtung, beim Abbremsen dagegen. Ähnlich ist dies bei einem Atom, das quantenphysikalisch einer Materiewelle entspricht. Dessen Quantenzustand bleibt bei hohem Transfer-Tempo nur dann stabil, wenn das Wellental tief genug ist.
Atomtransport in der Lichtwelle
Wo das Tempolimit für einfache Quantensysteme wie Elektronen liegt, wurde schon experimentell ermittelt. Doch für komplexere Quantenoperationen wie den nicht-lokalen Transfer eines Atoms, war die Maximalgeschwindigkeit unbekannt. Das haben nun Manolo Lam von der Universität Bonn und seine Kollegen erstmals bestimmt. Für ihr Experiment kühlten sie Cäsium-Atome bis auf fast den absoluten Nullpunkt herunter und brachten sie so in den energetischen Grundzustand.
Diese ultrakalten Atome wurden dann einzeln in „Käfige aus sich überkreuzenden Laserstrahlen gesperrt. Diese Mulde aus stehenden Lichtwellen entspricht dem Tablett, das Atom dem Wasserglas. „Wir haben das Atom in eines dieser Täler geladen, dann die Lichtwelle in Bewegung versetzt und so die Position des Tals verschoben“, erklärt Lams Kollege Andrea Alberti. „Unser Ziel war es, das Atom in kürzester Zeit zum Ziel zu bringen, ohne dass es dabei bildlich gesprochen aus dem Wellental schwappen kann.“
Tempolimit niedriger
Dabei zeigte sich: Es gibt eine Maximalgeschwindigkeit, bei der das Atom noch mit intaktem Grundzustand am Ziel ankommt. Diese liegt bei rund 17 Millimetern pro Sekunde, wie die Forscher berichten. Bewegt man das „Förderband“ aus Licht schneller, geht der Quantenzustand verloren und kann nicht mehr zuverlässig ausgelesen werden. „Bei schnellerem Tempo fällt die Zuverlässigkeit rapide ab“, so Lam und sein Team. „Das verrät die Existenz des Quanten-Tempolimits für den Transport von Materiewellen.“
Damit haben die Physiker nicht nur erstmals das Tempolimit für solche Quantenoperationen bestimmt. Ihr Ergebnis bestätigt auch, dass für komplexere Prozesse mit mehreren Zwischenzuständen ein niedrigeres Tempolimit gilt als für einfache Systeme mit nur zwei Zuständen, wie beispielsweise den Spin eines Elektrons. Das Quantenlimit wird demnach nicht nur von der Energieunschärfe bestimmt, sondern auch von der Anzahl der Zwischenzustände, wie die Forscher erklären.
Mit Ruckeln geht es schneller
Interessant auch: Am schnellsten gelingt der stabile Transport des Atoms nicht, wenn man es gleichmäßig bewegt, sondern wenn das Förderband aus Licht mal stockt, mal schneller wird. Wie die Messungen ergaben, sorgt dieses Ruckeln dafür, dass zwischenzeitige Energiesprünge und Anregungen ausgeglichen werden und das Atom im gewünschten Grundzustand am Ziel ankommt. Im Prinzip ähnelt dies der Neigung des Tabletts beim Transport des Wasserglases.
Wichtig sind diese Erkenntnisse unter anderem für das Quantencomputing. Denn die Berechnungen, die mit Quantenrechnern möglich sind, basieren meist auf der Manipulation von Multi-Niveau-Systemen – ähnlich den im Experiment transferierten Atomen. „Unsere Studie zeigt, wie viele Operationen in der Kohärenzzeit maximal ablaufen können“, erklärt Alberti. „Dadurch wird es möglich, diese Zeit optimal auszunutzen.“ (Physical Review X, 2021; doi: 10.1103/PhysRevX.11.011035)
Interview zu diesem Experiment und seiner Bedeutung.
Quelle: Universität Bonn, American Physical Society (APS)