Technik

Texte-Schreiben auf dem Klavier

Algorithmus übersetzt Melodien und Akkorde in geschriebene Texte

So funktioniert es: einfach eine Melodie oder Akkorde spielen und der Computer wandelt diese in Text um. © Universität des Saarlandes

Klingt skurril, scheint aber zu funktionieren: Forscher haben eine Software entwickelt, die das Spielen auf einer Klaviertastatur in geschriebene Texte umwandelt. Geübte Klavierspieler, aber auch Hobbypianisten, können auf diese Weise Texte verfassen. Der Vorteil dabei: Es geht schnell, denn selbst ein durchschnittlicher Pianist „tippt“ auf de Klavier schneller als die geübteste Schreibkraft auf ihrer Computertastatur.

So funktioniert es: einfach eine Melodie oder Akkorde spielen und der Computer wandelt diese in Text um.© Universität des Saarlandes

Bei Pianisten wie dem chinesischen Klaviervirtuosen Lang Lang sieht es mühelos aus: Gekonnt gleiten die Finger in Windeseile bei Stücken von Mozart, Rachmaninow oder Tschaikowsky über die Tasten des Klaviers. Das interessante daran: Den Pianisten ist es dabei möglcih, problemlos doppelt so viele Noten pro Sekunde zu spielen, wie professionelle Schreibkräfte auf einer Tastatur Buchstaben eingeben können. Diese Fingerfertigkeit wollten Informatiker der Universität des Saarlandes und des Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken ausnutzen: Sie entwickelten ein Verfahren, das die Tasten des Klaviers quasi zu einer Schreibtastatur macht.

Dafür analysierten die Informatiker zunächst Hunderte Musikstücke. „So haben wir musikalische Muster aufgespürt, die immer wieder auftauchen“, erklärt Anna Feit, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Informatik. „Für unsere Arbeit war es wichtig, herauszufinden, welche Noten und Akkorde wie oft vorkommen und wie die Übergänge in der Notenfolge aussehen.“ Denn auch in der Sprache werden verschiedenen Buchstaben und Silben unterschiedlich oft genutzt. Im Englischen ist beispielsweise „e“ einer der in Texten am häufigsten auftretenden Buchstaben.

Terz für „th“

Um die Klavier-Tastatur für die Eingabe der englischen Sprache zu optimieren, entwickelten die Forscher einen Algorithmus, der häufige Buchstaben mit Noten übersetzt, die auch in der Musik besonders oft vorkommen. Für Buchstabenpaare wie „th“ oder „he“ haben sie wichtige Intervalle wie Terzen oder Quinten verwendet. Der Vorteil dabei: Da solche Akkorde und Tonfolgen für die Pianisten gängig sind, gehen ihnen diese auch leichter von der Hand.

„Wichtig hierbei war auch, dass der Abstand zwischen den Buchstabentasten nicht zu groß wird, damit der Pianist, die Notenfolge ohne Mühe spielen kann“, erklärt Antti Oulasvirta, Nachwuchsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Informatik. Um zu große Abstände zu verhindern, haben die Forscher fast allen Buchstaben mehrere Noten zugewiesen: Je häufiger der Buchstabe ist, desto mehr Übersetzungen gibt es. Der Buchstabe „e“ zum Beispiel, der am häufigsten im englischen Texten vorkommt, kann durch vier verschieden Noten in verschiedenen Oktaven eingegeben werden. Für gängige Silben und Wörter haben sie zudem Moll- und Durakkorde genommen, die die Eingabe der ganzen Buchstabenfolge mit nur einer Bewegung ermöglicht.

80 Wörter pro Minute

Um das Verfahren in der Praxis zu erproben, haben die Wissenschaftler einen erfahrenen Pianisten gebeten, auf dem Klavier einige „Sätze“ zu spielen, die die Forscher zuvor in ein Musikstück umgeschrieben haben. „Ohne vorherige Übung konnte der Pianist über 80 Wörter pro Minute schreiben – ähnlich wie eine erfahrene Schreibkraft an der QWERTY-Tastatur“, kommentiert Oulasvirta die Ergebnisse.

In einer weiteren Studie haben die Saarbrücker Informatiker eine Probandin, die nur in ihrer Freizeit Klavier spielt, gebeten die Methode einzustudieren und die Zuweisung von Buchstaben zu Noten auswendig zu lernen. Nach einem rund sechsmonatigen Training konnte die junge Frau – ähnlich wie der Pianist – circa 80 Wörter in der Minute erfassen, diesmal aber frei von Noten. So kann sie schneller als mit der Tastatur, Freunden auf Facebook schreiben oder E-Mails verfassen. Zudem verbesserte sie mit den regelmäßigen Übungen ihr Klavierspiel.

(Universität des Saarlandes / Max-Planck-Institut für Informatik, 17.09.2013 – NPO)

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