Nur wenige Wochen nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat die Bundesregierung ihre Forderung nach einem sofortigen Moratorium für Ölbohrungen in Tiefsee-Gebieten wieder aufgegeben. Anders als von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) angekündigt, setzt sich Deutschland auf der diese Woche beginnenden Ministerkonferenz zum Schutz der Meeresumwelt nun doch nicht für einen sofortigen Stopp neuer Tiefsee-Ölbohrungen im Nordost-Atlantik ein.
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In Nordsee und Nordost-Atlantik sind derzeit rund 730 Offshore-Installationen in Betrieb, über 20 neue Öl- und Gasprojekte von 200 bis zu 900 Metern Tiefe sind geplant. Noch am 22. Juli hatte Röttgen in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ gefordert, dass es „ohne Sicherheit von Bohrungen keine neuen Bohrungen“ in der Tiefsee geben dürfe. Deshalb werde sich Deutschland für „ein Moratorium, eine Pause für neue Bohrungen“ einsetzen. In einem Schreiben an Greenpeace bestätigte Röttgens Staatssekretär Jürgen Becker im August, dass das Ziel der Bundesregierung „ein Moratorium für neue Tiefsee-Ölbohrungen im OSPAR-Raum“ sei.
Doch nach der Ressortabstimmung mit dem für Ölförderung zuständigen Wirtschaftsministerium ist nun avon keine Rede mehr: in dem jetzt von Deutschland eingereichten OSPAR-Antrag werden die Staaten des Nordost-Atlantiks nicht mehr aufgefordert, ein Moratorium zu beschließen. Nach Informationen von Greenpeace wurde ein entsprechender Antrag des Umweltministeriums für die nächste Woche beginnende Ministerkonferenz zum Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks (OSPAR) auf Druck des FDP-geführten Wirtschaftsministeriums praktisch wirkungslos gemacht.
Stattdessen sollen sie nur noch „intensiv prüfen“, ob ein Moratorium für neue Tiefsee-Bohrungen überhaupt nötig ist oder nicht. Selbst bei Annahme des Antrags können also Erkundungen und neue Bohrungen in Tiefseegebieten ungehindert weiter gehen. „Kaum ist die Ölkatastrophe am Golf von Mexiko aus den Schlagzeilen verschwunden, hat sich auch Röttgens Forderung nach einem Stopp von Tiefsee-Ölbohrungen in Luft aufgelöst“, erklärt Jürgen Knirsch von Greenpeace. „Nach seinem Desaster bei der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ist der Umweltminister jetzt auch beim Meeresschutz vom konzernhörigen Wirtschaftsminister Brüderle über den Tisch gezogen worden.“
„Die Ölkatastrophe von Mexiko hat gezeigt, dass Ölbohrungen in der Tiefsee technisch nicht beherrschbar sind. Eine solche Katastrophe kann sich jederzeit auch in Europas Meeren ereignen, mit unabsehbaren Folgen für das Meer und auch die deutschen Küsten“, so Knirsch. „Doch statt der Ölindustrie Grenzen zu setzen, will der Umweltminister noch nicht einmal selbst zur Konferenz fahren.“
(Greenpeace, 20.09.2010 – NPO)