Tief im Meer, in einem Feld von hydrothermalen Schloten, haben Wissenschaftler eine Schnecke entdeckt, deren Schale sich als „Super-Panzerung“ entpuppte. Sie schützt das Tier gegen nahezu jeden Angriff von außen. Das Besondere daran: Der raffinierte Aufbau der dreischichtigen Schale, die unter anderem Eisensulfid-Körnchen enthält, könnte Materialforschern bei der Entwicklung von Schutz- und Tragkonstruktionen helfen, wie Forscher jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten.
Das Kairei Feld im Indischen Ozean bildet eine Reihe von tiefen Einschnitten in die Erdkruste. Entlang einer Kette von unterseeischen Vulkanen tritt hier an hydrothermalen Schloten heißes, mineralreiches Wasser aus den Tiefen der Erde aus. 1999 entdeckten Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) hier eine bisher unbekannte Schnecke, deren Panzer sich bei näherem Hinsehen als äußerst ungewöhnlich entpuppte.
Dreischicht-Schale mit Eisensulfid-Einlagerung
Die Schale des so genannten „Schuppenfuß-Gastropoden“ besteht aus drei Schichten. Einem stark verkalkten inneren Panzer, einer organischen mittleren Schicht und einem einzigartigen äußeren Panzer, in den granuläre Eisensulfidkörnchen eingelagert sind. „Die Flüssigkeit der hydrothermalen Schlote enthält hohe Konzentrationen von Sulfiden und Metallen, aber dieser Molluske ist einzigartig darin, diese Materialien so reichlich in seine Schalenstruktur einzulagern“, erklärt Christine Ortiz vom MIT-Institut für Materialforschung. „Deshalb waren wir interessiert daran, die Struktur und Eigenschaften der einzelnen Schichten genauer zu untersuchen und zu sehen, wie sie sich mechanisch verhalten.“
Angriffe von Fressfeinden simuliert
Um die Widerstandsfähigkeit der Schale zu testen, simulierten die Forscher Prädatorangriffe auf ihre Außenhaut. Zu den normalen Fressfeinden der Schnecke gehört unter anderem eine Napfschnecke, die mit Hilfe eines harpunenartigen Zahns versucht, die Schneckenschale zu durchbohren, bevor sie giftiges Sekret injiziert. Einige Krebsarten nutzen ihre Schweren, um in das Innere der Schneckenschale zu gelangen. Die Forscher attackierten die Schale mit der scharfen Spitze einer Sonde und maßen, wie stark das Material nachgab und ab wann es perforiert wurde. Zusätzlich führten sie Computersimulationen durch, in der die Schale verschiedenen Belastungen ausgesetzt wurde.
Einzigartiges Zusammenwirken schafft Super-Panzer
Die Experimente ergaben Überraschendes, denn die Schale des neu entdeckten Schuppenfuß-Gastropoden verhielt sich völlig anders als bekannte Schneckenschalen. Offenbar spielt bei ihr jede einzelne Schicht der Schneckenschale eine jeweils multifunktionelle und gesonderte Rolle für den mechanischen Schutz des Tieres. Das Resultat ist ein geradezu undurchdringbarer Panzer: „Die Schale besitzt einen hohen Widerstand gegenüber dem Durchstoßen, sorgt für Energieverteilung, verhindert Brüche und stoppt die Ausbreitung von Rissen“, so die Forscher in ihrem Artikel. „Zudem bietet es einen starken Widerstand gegenüber Verbiegen und anderen Spannungsbelastungen.“
Die besondere Schalenstruktur der Schnecke ist für die Materialwissenschaftler eine wahre Fundgrube. Denn die in ihr umgesetzten Schutzprinzipien geben wertvolle Anregungen für neue Schutz- und Stützmaterialien, vom Sporthelm bis zum Flugzeugrumpf.
(National Science Foundation, 21.01.2010 – NPO)