Physik

Top-Quarks gibt’s nicht nur im Doppelpack

Forscher weisen erstmals einzelne über schwache Wechselwirkung entstandene Top-Quarks nach

Am CDF-II-Experiment des Beschleunigers Tevatron in Chicago wurde ein neuer Erzeugungsprozess für das Top-Quark entdeckt © Karlsruher Institut für Technologie

Das Top-Quark ist der schwerste der fundamentalen Bausteine der Materie, wegen seiner kurzen Lebensdauer aber extrem schwer nachzuweisen. Dies gelang bisher nur paarweise. Nun ist es zwei internationalen Wissenschaftlerteams gleichzeitig gelungen, auch einzelne über die schwache Wechselwirkung entstandene Top-Quarks aufzuspüren.

Quarks sind Bausteine der Materie, aus denen unter anderem die Teilchen im Atomkern – Protonen und Neutronen – zusammengesetzt sind. Als letztes der sechs bekannten Quarks wurde vor 14 Jahren das schwerste dieser Teilchen, das Top-Quark, am Teilchenbeschleuniger Tevatron des Fermilab bei Chicago entdeckt. Im damals nachgewiesenen Prozess werden Top-Quarks immer in Paaren von Quarks und Antiquarks über die so genannte starke Wechselwirkung, die Wechselwirkung der Kernbausteine, erzeugt.

Das Standardmodell der Elementarteilchen-Physiker sagte aber aus, dass auch einzelne Top-Quarks erzeugt werden können, dann aber über die schwache Wechselwirkung. Das ist eine weitere fundamentale Kraft zwischen Elementarteilchen, die nur auf sehr kurze Entfernungen wirkt. Nun ist es zwei internationalen Forschergruppen am Fermilab gleichzeitig gelungen, diesen Erzeugungsmechanismus von Top-Quarks experimentell zu belegen.

Durchbruch in der Elementarteilchenphysik

Maßgeblich daran beteiligt war ein Team des Instituts für Experimentelle Kernphysik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Der Leiter dieser Arbeitsgruppe, Professor Thomas Müller, war auch schon an der ersten Entdeckung des Top-Quarks beteiligt. „Seit 1995 warten wir nun auf den Nachweis für die Entstehung einzelner Top-Quarks“, so Müller. „Das ist einer der seltenen Durchbrüche in der experimentellen Elementarteilchenphysik.“

Dabei haben viele der Physiker auf Abweichungen von den theoretischen Vorhersagen gehofft. Müller weiter: „Wir wissen, dass das so genannte Standardmodell unvollständig sein muss. Unter extremen Bedingungen, wie sie kurz nach dem Urknall geherrscht haben, ist es nicht mehr gültig. Das Standardmodell ist nur der Grenzfall einer allgemeineren Theorie.“

Standardmodell beschreibt Aufbau der Materie

Wenn Physiker vom „Standardmodell“ sprechen, meinen sie ihr Bild von der Welt der kleinsten Teilchen und der fundamentalen Kräfte. Es beschreibt unter anderem den Aufbau der Materie, die sich aus jeweils sechs verschiedenen Quarks und Leptonen zusammensetzt, und der Kräfte zwischen ihnen. Während die leichtesten dieser Teilchen unsere heutige Materie aufbauen, sind die übrigen in den ersten milliardstel Sekunden nach dem Urknall bereits zerfallen.

Deren prinzipielle Existenz – und damit ein besseres Verständnis von den Vorgängen des frühesten Universums – kann nur an den leistungsfähigsten Teilchenbeschleunigern nachgewiesen werden. Diese erzeugen aus reiner Energie nach dem Einsteinschen Prinzip E=mc2 zum Beispiel Quarks und deren Antiteilchen, also Antiquarks. Deren Zerfallsprodukte werden dann in haushohen elektronischen Detektoren nachgewiesen.

Fahndung nach dem Higgs-Boson

Besonders interessant ist, dass die nun entdeckte Reaktion ihrerseits einen wichtigen Untergrund für ein noch selteneres Teilchen darstellt, nämlich das Higgs-Boson, nachdem ebenfalls fieberhaft am Fermilab gefahndet wird. Dieses Teilchen, dessen Entdeckung noch aussteht, wird als Urheber der Masse aller Materie angesehen. Ob allerdings die Leistung des US-Beschleunigers auch zu dieser fundamentalen Entdeckung reichen wird, ist sehr fraglich.

Diese Messungen und natürlich die Suche nach dem Higgs-Boson und möglichen Signalen der mysteriösen Dunklen Materie werden künftig am leistungsfähigeren Large Hadron Collider LHC am CERN in Genf fortgesetzt, der nach einer unerwarteten Zwangspause im Herbst dieses Jahres seinen Betrieb wieder aufnehmen wird.

(idw – Karlsruher Institut für Technologie, 18.03.2009 – DLO)

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