Medizin

Twitter: Bots und Trolle schüren Impfskepsis

Forscher decken Manipulationsversuche auf – auch durch russische Trolle

Die Meingungsmache zu Impfungen wird auf Twitter stark von Bots und Trollen beeinflusst, wie eine Studie enthüllt. © edisona, Don Stevenson/iStock.com

Gefakte Skepsis: Twitter-Bots und russische Trolle haben nicht nur den US-Wahlkampf beeinflusst – sie mischen auch in der Impf-Debatte kräftig mit. Eine Analyse enthüllt, dass solche Fake-Accounts vor allem impfskeptische Meldungen in den sozialen Medien verbreitet und geteilt haben. Nach Schätzungen der Forscher könnte sogar ein signifikanter Anteil der gegen Schutzimpfungen gerichteten Tweets von Bots und gekaperten Accounts stammen.

Es ist schon paradox: Impfungen sind eine der wichtigsten Waffen der Medizin. Ihnen verdanken wir, dass tödliche Krankheiten wie Pocken, Tuberkulose, Diphterie oder Kinderlähmung bei uns kaum mehr vorkommen. Dennoch – oder gerade deswegen – nehmen in Deutschland, aber auch anderen Ländern Europas und in den USA, die Impfskeptiker zu. Die Folge dieser Impfmüdigkeit sind unter anderem zunehmende Ausbrüche von Masern und anderen bisher durch Impfungen zurückgedrängten Krankheiten.

Viele Posts von Bots und Trollen

Doch bei der Diskussion ums Impfen mischen nicht mehr nur menschliche Meinungsmacher mit: Auch Bots und Hacker versuchen, die Debatte zu beeinflussen, wie David Broniatowski von der George Washington University und sein Team herausgefunden haben. Für ihre Studie hatten die Forscher 1,7 Millionen Twitter-Meldungen ausgewertet, die von Sommer 2014 bis Herbst 2017 gepostet worden waren und darin die Posts zum Thema Impfen näher analysiert.

Das Ergebnis: „Es zeigt sich, dass viele Anti-Impfungen-Tweets von Accounts kommen, deren Herkunft unklar ist“, berichtet Broniatowski. „Es ist zwar unmöglich genau festzustellen, wie viele Tweets von Bots und Trollen erzeugt wurden, aber unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass ein signifikanter Teil der Online-Debatte über Impfungen durch bösartige Akteure mit versteckten Agendas geprägt sein könnte.“

Gezielte Verzerrung der Debatte

Viele dieser Bots und Trolle verfolgen dabei offenbar eine klare Linie: Sie schüren die Impfskepsis und posten und teilen besonders häufig polarisierende Meldungen zu diesem Thema. Konkret ermittelten die Forscher, dass Trolle 22-mal häufiger über Impfthemen twitterten als normale Twitter-Nutzer. Impfskeptische Posts mit den Hashtags #Vaxxed und #CDCWhistleblower erwiesen sich besonders oft als von Bots oder Trollen gepostet

„Solche Accounts, die sich als legitime Nutzer ausgeben, spielen damit die Debatte um das Impfen hoch und erwecken den falschen Eindruck, beide Seiten seien gleich stark vertreten – das untergräbt den öffentlichen Konsens zu Schutzimpfungen“, erklären sie.

Gibt es bald einen "Fake"-Button zusätzlich zum "Like"? © thinktock

Aber auch andere Zwecke scheinen die Bots und Trolle zu verfolgen: „Diese Content-Polluter scheinen die Anti-Impf-Botschaften auch dafür zu nutzen, um ihre Follower dazu zu verlocken, auf Werbung oder Links zu schädlichen Websites zu klicken“, erklärt Koautorin Sandra Crouse Quinn von der University of Maryland. „Ironischerweise fördern damit Inhalte, die einen natürlichen Kontakt zu biologischen Viren anpreisen, auch die Exposition gegenüber Computerviren.“

Russische Hacker entlarvt

Überraschend auch: Viele der fragwürdigen Accounts stellten sich bei näherer Analyse als russische Trolle heraus. Die Wissenschaftler fanden mehr als 250 Tweets mit Impf-Inhalten, die von gefälschten Accounts der Internet Research Agency geschickt worden waren – einer von der russischen Regierung beauftragten Firma, die gerade für ihre Manipulation im US-Wahlkampf angeklagt wird.

Diese russischen Trolle nutzten besonders oft den Hashtag #VaccinateUS, um darunter das Thema Impfungen mit anderen kontroversen Themen in den USA zu verknüpfen, wie Rassismus, Klassen oder Tierversuchen. „Diese Trolle scheinen das Thema Impfen vor allem als Mittel zur Spaltung einzusetzen, um Uneinigkeit in der amerikanischen Gesellschaft zu provozieren“, sagt Koautor Mark Dredze von der Johns Hopkins University in Baltimore. (American Journal of Public Health, 2018; doi: 10.2105/AJPH.2018.304567)

(George Washington University, 24.08.2018 – NPO)

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