Licht trifft Materie: Physiker haben erstmals beobachtet, wie Einsteins photolektrischer Effekt innerhalb des Atoms abläuft. Überraschenderweise erhält dabei das Elektron einen größeren Anteil des Photonenimpulses als erwartet: Es bekommt ein Drittel des Energieanteils, den gängiger Theorie nach der Atomkern bekommen müsste, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Physics“ berichten. Ursache dafür ist offenbar ein Zusatzschub durch den magnetischen Feldanteil des Lichts.
Schon Albert Einstein beschrieb 1905 diese fundamentale Wechselwirkung von Licht und Materie: Wenn Licht auf ein Atom trifft, überträgt es einen Teil seiner Energie. Im angeregten Atom springen dadurch Elektronen auf ein höheres Energieniveau oder werden sogar ganz aus ihrem Orbit katapultiert – das Atom wird ionisiert. Wie sich die Elektronen dabei verhalten und wie schnell sie auf den Lichtimpuls reagieren, haben Physiker inzwischen geklärt.
Eine Frage jedoch blieb bislang offen: Wie die Energie der Photonen auf die Komponenten des Atoms verteilt wird. „Die einfachste Idee wäre: Solange das Elektron gebunden ist, wirkt der Impuls auf das schwere Teilchen, also den Atomkern“, erklärt Seniorautor Reinhard Dörner von der Goethe-Universität Frankfurt. Hat das Elektron dann jedoch die Schwelle zum Ionisations-Potential überwunden, wird es frei. Der Photonen-Impuls verleiht ihm die kinetische Energie, mit der es sich vom Atom wegkatapultiert.
Argon-Atome unter Laserbeschuss
Doch ob dieses Szenario tatsächlich zutrifft, war unklar, weil es keine Experimente gab, die den winzigen Impuls der Photonen und ihre Verteilung im Atom messen konnten. Ein solches Experiment hat Dörners Team nun entwickelt und durchgeführt. Kernstück ist ein sogenanntes COLTRIMS-Spektrometer – eine drei Meter lange Anlage, in dem einzelne Argon-Atome mit ultrakurzen Laserpulsen von zwei verschiedenen Seiten beschossen werden können.
Aus der Energie und Bewegung der aus den Atomen freigesetzten Elektronen lässt sich ablesen, wie viel von dem Photonenimpuls das Elektron während der Ionisation abbekommt. Zusätzlich konnten die Forscher untersuchen, wie sich der elektrische und der magnetische Feldanteil des energiereichen Laserstrahls auf das Atom und Elektron auswirken.
Mehr Impuls fürs Elektron
Das überraschende Ergebnis: Entgegen der Theorie bekommt das Elektron nicht nur den erwarteten Anteil des Photonenimpulses, sondern mehr. Es absorbiert schon während der Ionisation ein Drittel des Energieanteils, der gängiger Annahme nach auf den Atomkern übergehen müsste, wie die Forscher berichten. Ursache für diesen „Zusatzschub“ ist dabei offenbar das magnetische Feld des Laserstrahls:
„Wir wissen, dass die Elektronen eine schmale Energiebarriere durchtunneln“, erklärt Erstautor Alexander Hartung. Erst nach dieser Barriere erreichen sie das für die Ionisation nötige Energiepotential. „Dabei zieht das starke elektrische Feld des Laserlichts das Elektron vom Atomkern weg, während das magnetische Feld den Elektronen diesen zusätzlichen Impuls überträgt“, berichtet Hartung. Ein solches Geschehen hatten zwar einige Physiker zuvor theoretisch vorhergesagt, erst jetzt aber wurde dies experimentell bewiesen.
Aus Theorie wird Beobachtung
„Der photoelektrische Effekt wird seit vielen Jahren erforscht. Daher ist es sehr erfreulich, plötzlich tiefere Einblicke in seine Funktionsweise zu bekommen“, sagt Koautor Marcus Dahlström von der Universität Lund. Denn dank des Experiments ist es nun erstmals gelungen, die Verteilung des Photonenimpulses beim photoelektrischen Effekt zu beobachten.
„Das hat es uns erlaubt, das zu demonstrieren, das bisher nur theoretisch vorhergesagt wurde: die Wirkung des magnetischen Felds des Lichts auf das Elektron während es die Barriere durchtunnelt“, konstatieren Hartung und seine Kollegen. (Nature Physics, 2019; doi: 10.1038/s41567-019-0653-y)
Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main