Den Geist in die Flasche gesperrt: Physikern ist es erstmals gelungen, ultrakaltes, neutrales Plasma für kurze Zeit einzusperren – das Gemisch aus Elektronen und Ionen, das Polarlichter verursacht und in Sternenatmosphären vorkommt. Anders als normales Plasma reagiert diese neutrale Plasmaform kaum auf normale Magnetfallen. Eine raffinierte Manipulation erlaubte es den Forschern aber dennoch, eine ultrakalte Wolke aus Strontium-Ionen und Elektronen festzuhalten.
Plasma ist neben fest, flüssig und gasförmig einer der vier Grundzustände der Materie. Es entsteht, wenn Atome ihrer Elektronen beraubt werden – beispielsweise durch die Hochspannung bei einem Blitzschlag, in der extremen Hitze der Sonne oder auch in Leuchtstoffröhren. Typischerweise sind solche Plasmen leitend und lassen sich durch Magnetfelder bändigen, was unter anderem bei Fusionsreaktoren zum Plasmaeinschluss genutzt wird.
Ultrakalt und extrem flüchtig
Doch es gibt auch Plasma, das kaum auf Magnetfelder anspricht. In diesem ultrakalten, neutralen Plasma bewegen sich die Ionen nur extrem langsam und die Kopplung der Teilchen untereinander verändert sich. Unter Extrembedingungen wie im Kern des Gasriesen Jupiter oder in Weißen Zwergen kann dies zu Zuständen führen, bei denen dieses Plasma sogar fest oder flüssig ist. Aber auch interstellares Plasma kann in diesem ultrakalten Zustand sein.
Erst im Jahr 2019 ist es Forschern um Thomas Killian von der Rice University in Houston erstmals gelungen, ein solches ultrakaltes, neutrales Plasma im Labor herzustellen. Dafür erzeugten sie zunächst ein heißes Plasma aus Strontiumatomen, das sie mittels Laserkühlung bis auf wenige Gradbruchteile über den absoluten Nullpunkt herunterkühlten.
Plasma eingefangen – zumindest für kurze Zeit
Jetzt hat das Team den nächsten Schritt geschafft: Sie entwickelten eine Methode, um das ultrakalte Plasma auch festzuhalten. Während es unter normalen Umständen innerhalb von wenigen Mikrosekunden verfliegt, blieb es im Experiment mehr als eine halbe Millisekunde erhalten. Zwar ist auch das weniger als ein Wimpernschlag, aber im Labor eröffnet schon diese kurze Zeitspanne Möglichkeiten, die Beschaffenheit und das Verhalten dieser exotischen Materie näher zu untersuchen.
Möglich wurde die Plasmafalle durch einen Trick: Zunächst kühlten die Forscher eine Wolke aus Stroniumatomen auf drei Millikelvin herunter, dann nutzten sie einen kurzen Laserpuls, um jedem Atom ein Elektron zu rauben. Dies verwandelte die Gaswolke in ein Plasma und brachte seine Elektronen in einen Zustand, der sie gegenüber einer Art Gitter aus vier modulierten Magnetfeldern sensibel machte.
Komplexe Felder
Ein solches Quadrupol-Magnetfeld ist in Plasmalaboren und bei der Erzeugung ultrakalter Plasmen zwar Standard, wie Killian erklärt. Aber es muss auf spezielle Weise verändert werden, um sowohl die Ausdehnung des Plasmas zu bremsen als auch die Messungen zu ermöglichen. „Es entsteht eine große Komplexität, wenn unser Plasma sich über die Feldlinien hinweg ausbreitet und dann beginnt, die Magnetkräfte zu spüren, die es abbremsen“, sagt Killian.
Hinzu kommt, dass das Plasma selbst auch die Magnetfelder beeinflusst. „Eines der Hauptprobleme ist es daher, das Magnetfeld stabil genug zu halten, damit es die Reaktion lange genug einschließen kann“, erklärt Killians Kollege Stephen Bradshaw. „Sobald es nur eine kleine Turbulenzstörung im Magnetfeld gibt, wächst die Wolke und die Plasmareaktion ist ruiniert.“ Nach rund einem Jahr des Tüftelns ist es dem Team aber gelungen, ihre Methode soweit zu optimieren, dass das ultrakalte Plasma zumindest eine kurze Zeit gefangen bleibt.
Testfeld für astrophysikalische Plasmen
Nach Ansicht der Forscher eröffnet ihre Plasmafalle nun neue Möglichkeiten, ultrakalte, neutrale Plasmen zu erforschen. „Das verschafft uns ein sauberes und kontrollierbares Testfeld, um die neutralen Plasmen zu untersuchen, die sonst an weit komplexeren Orten vorkommen, wie der Atmosphäre der Sonne oder in Weißen Zwergen“, erklärt Killian. „Indem wir mit einfachen, gut kontrollierten Systemen beginnen, können die Phänomene isolieren, die wir untersuchen möchten.“
Killian und sein Team wollen nun daran arbeiten, ihre Plasmafalle noch stabiler und langlebiger zu machen. Das soll es ermöglichen, das ultrakalte Plasma künftig länger eingesperrt zu halten. (Physical Review Letters, 2021; doi: 10.1103/PhysRevLett.126.085002)
Quelle: Rice University, American Physical Society