„Unsoziales“ Element ausgetrickst: Forscher haben erstmals eine stabile chemische Verbindung mit dem Edelgas Helium erzeugt. Bisher galt dieses Element als zu reaktionsträge und stabil, um mit anderen Atomen zu reagieren. Doch unter extrem hohem Druck gelang es den Chemikern, einen salzartigen ionischen Kristall aus Natrium und Helium zu erzeugen. Diese Verbindung sei oberhalb von 113 Gigapascal Druck stabil, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Chemistry“.
Helium ist das leichteste unter den Edelgasen – und eines der „unsozialsten“. Denn im Gegensatz zu fast allen anderen Elementen im Periodensystem geht Helium freiwillig keine Bindung ein. Seine beiden Elektronen füllen das s-Orbital vollständig und machen das Atom „unwillig“, dies durch Bindung mit anderen Elementen zu ändern. Nur unter extremen Bedingungen bildet Helium ein sogenanntes Efimov-Trimer, eine lose Assoziation dreier Atome.
„In den letzten Jahrzehnten haben viele Wissenschaftler versucht, stabile Helium-Verbindungen zu finden“, erklären Artem Oganov vom Moskauer Institut für Physik und Technologie und seine Kollegen. Doch bisher ist es nicht gelungen, stabile Helium-Moleküle mit echten kovalenten Bindungen zu erzeugen.
„Ausgetrickst“ durch Hochdruck
Doch Oganov und seine Kollegen haben Helium nun „ausgetrickst“. Ihre Idee: Unter extrem hohem Druck könnten sich die Eigenschaften des Edelgases so weit verändern, dass doch eine Bindung möglich wird. Um dies zu testen, suchten sie zunächst mit Hilfe eines Algorithmus nach potenziell stabilen Molekülstrukturen von Helium bei verschiedenen Drücken.
Und tatsächlich: „Wir haben eine neue Verbindung gefunden: Na2He hat bei Drücken oberhalb von 160 Gigapascal eine geringere Enthalpie als eine Mischung von elementarem Natrium und Helium“, berichten Oganov und seine Kollegen. Das sei ein Zeichen für eine unter diesen Bedingungen stabile Kristallstruktur. Bei im Labor erzeugbaren Drücken sei Natrium zudem das einzige Element, mit dem Helium eine solche Verbindung eingehe.
Ionischer, salzähnlicher Kristall
Aber lässt sich eine solche Helium-Verbindung auch in der Realität herstellen? Um das zu testen, setzen die Chemiker ein Gemisch von Natrium und Helium in einer Diamantstempel-Presse extremen Drücken aus. Bei Drücken von mehr als 113 Gigapascal zeigten die Messungen mittels Röntgenkristallografie und Raman-Spektroskopie eine Veränderung an: Aus dem Gemisch der beiden Elemente war eine kristalline Verbindung geworden.
„Die Verbindung, die wir entdeckt haben, ist allerdings ziemlich ungewöhnlich“, berichtet Oganov. In seiner Struktur ähnele Na2He einem ionischen, salzähnlichen Kristall. In diesem bilden die Heliumatome ein kubisches Gitter, ähnlich einem 3D-Schachbrett, bei dem jedes schwarze Feld von Helium besetzt ist. Die leeren Felder dazwischen sind mit einem Elektronenpaar belegt, das von Natriumionen umgeben ist.
Exotisch, aber eine echte Verbindung
„Damit ist diese Verbindung ein Elektrid, ein Kristall aus positiv geladenen Ionenkernen, in dem stark lokalisierte Valenzelektronen die Rolle der Anionen spielen“, erklären die Forscher. Erst die Anwesenheit des Heliums führt zu dieser Lokalisierung der Elektronen und macht den exotischen Kristall zu einem Nichtleiter.
Na2He ist somit zwar exotisch, aber dennoch eine bei Hochdruck stabile, echte Verbindung von Helium mit einem anderen Element, wie die Wissenschaftler betonen. Dass es eine solche „unmögliche“ Verbindung gibt, erschien allerdings selbst den Gutachtern des Fachjournals so unglaublich, dass es zwei Jahre dauerte, bis der Fachartikel die Peer Review passierte und veröffentlicht wurde.
„Unsere Studie demonstriert, dass sehr bizarre Phänomene und Verbindungen unter extremen Bedingungen entstehen können“, sagt Oganov. Er und seine Kollegen haben mit Hilfe ihres Algorithmus sogar noch eine zweite unter Hochdruck stabile Heliumverbindung aufgespürt. Na2HeO ähnelt in seiner Kristallstruktur dem Na2He, nur dass in den Feldern mit dem Elektronenpaar nun jeweils ein O2--Ion sitzt. Die Existenz von Na2HeO muss allerdings noch experimentell nachgewiesen werden. (Nature Chemistry, 2017; doi: 10.1038/nchem.2716)
(Moscow Institute of Physics and Technology, 07.02.2017 – NPO)