Neuartiges Glas: Metallorganische Gerüstverbindungen (MOF) haben wegen ihrer porösen Käfigstruktur vielfältige Anwendungen, unter anderem als CO2-Filter und Sensoren. Doch sie in die gewünschte Form zu bringen ist schwierig, weil sie meist nur als Pulver vorliegen. Jetzt ist es Forschern gelungen, eigentlich unschmelzbare MOFs zu schmelzen und so in ein poröses, aber beliebig formbares Glas zu verwandeln. Das eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten.
Sie fangen Wasser aus der Wüstenluft, helfen beim CO2-Capture und Wasserstofftransport oder wirken als Katalysatoren: Metallorganische Gerüstverbindungen (Metal Organic Frameworks, MOF) sind wegen ihrer besonderen Struktur vielseitig einsetzbar. Denn ihr Gerüst aus organischen Verbindungen ist so mit anorganischen Metallatomen verbunden, dass eine käfigartige, poröse Struktur entsteht. Je nach Porengröße, Teilladungen der Molekülenden und chemischen Affinitäten können die MOFs so verschiedene andere Moleküle selektiv aufnehmen und einschließen.
Vom Pulver zum stabilen Feststoff
Das Problem jedoch: Die meisten der gut 70.000 bekannten metallorganischen Gerüstverbindungen liegen als loses, polykristallines Pulver vor. Um sie in die gewünschte Form zu bringen, müssen sie erst gepresst werden. Aber nicht alle Formen oder Strukturen sind auf diese Weise herstellbar. „Alternative Wege zur Fabrikation von festen, formbaren und robusten MOF-Architekturen mit guter Verarbeitbarkeit werden daher gebraucht“, erklären Vahid Nozari von der Universität Jena und seine Kollegen.
Eine dieser Alternativen ist die Verglasung: Wenn man das MOF-Pulver schmilzt, ohne dass die Gerüste zerstört werden und die Poren verschwinden, ließen sich stabile Gebilde in nahezu beliebigen Formen herstellen. Doch gerade die unter anderem für das CO2-Abscheidung besonders vielversprechenden zeolithischen Imidazolatgerüste (ZIF) sind meist nicht schmelzbar: Ihre Molekülbrücken werden bei Hitze zerstört, noch bevor die Schmelztemperatur des Pulvers erreicht ist.
„Bei den meisten bekannten MOF-Materialien ist gerade die hohe Porosität einer der Gründe, dass sie – bevor sie beim Erwärmen den Schmelzpunkt erreichen und sich verflüssigen – thermisch zersetzt werden, das heißt, sie verbrennen“, erklärt Nozari.
Ionische Flüssigkeit als Stabilisator
Doch dafür haben die Forscher nun eine Lösung gefunden. „Wir haben die Poren mit einer ionischen Flüssigkeit gefüllt, die die innere Oberfläche so stabilisiert, dass sich der Stoff schließlich schmelzen lässt, noch bevor es zu einer Zersetzung kommt“, erklärt Seniorautor Lothar Wondraczek von der Universität Jena. Im Experiment kam eine hydrophobe, imidazolhaltige ionische Flüssigkeit zum Einsatz, die gut in die ebenfalls wasserabweisenden Poren der ZIF-8-Gerüstverbindung aufgenommen wurde.
Als die Wissenschaftler dieses „gefüllte“ MOF von Raumtemperatur auf 390 Grad erhitzten, begann es tatsächlich zu schmelzen: „Wir sehen klare Anzeichen für einen makroskopischen Fluss als Ergebnis des Schmelzens sowie eine zunehmende Durchlässigkeit für Licht und glatte glasartige Oberflächen“, beschreiben Nozari und seine Kollegen die Veränderung des zuvor pulvrigen Materials.
Poren und Funktionalität auch als Glas erhalten
Das Entscheidende dabei: Trotz des Schmelzens blieben die für die Funktionalität der MOFs wichtige Poren erhalten – sie wurden durch die ionische Flüssigkeit stabilisiert. Nach dem Auswaschen dieses Stabilisators mit Aceton bleibt ein festes Glas übrig, das noch immer alle Eigenschaften einer metallorganischen Gerüstverbindung zeigt. „Unsere Probe enthält noch immer einen großen Anteil des kristallinen ZIF-8, das nur in Teilen amorphisiert wurde“, berichten die Forscher.
Tests der Gasabsorption mit Stickstoff und CO2 ergaben, dass das neue MOF-Glas deutlich mehr CO2 aufnehmen kann als einige der wenigen bisher als schmelzbar geltenden ZIF-Verbindungen. Nozari und seinem Team ist es damit gelungen, normalerweise nicht schmelzbaren Gerüstverbindungen aus der Gruppe der zeolithischen Imidazolatgerüste (ZIFs) erst zu schmelzen und dann in ein poröses, aber festes Glasmaterial mit erhaltener Funktionalität umzuwandeln.
Chance für neue Materialien und Anwendungen
Nach Ansicht der Forscher eröffnet diese Methode neue Möglichkeiten, hybride Gläser und stabile Feststoffe aus metallorganischen Gerüstverbindungen herzustellen. Das Material könnte so besser als bisher zu stabilen Scheiben oder Membranen geformt werden. Gerade für die Gastrennung und das CO2-Capture wäre dies ein unschätzbarer Vorteil.
„Unser Ansatz erweitert die Hybridglas-Vielfalt und bietet die Chance, auch andere nichtschmelzbare kristalline MOFs zu schmelzen und Hybridgläser mit einer breiten Palette an physikochemischen Eigenschaften und entsprechenden Anwendungen herzustellen“, konstatieren Nozari und seine Kollegen. (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-25970-0)
Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena