Regensburger Physiker haben die Umschaltzeiten von Ladungsträgern mit Hilfe von Mangan-Atomen manipuliert. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ berichten, könnten die neuen Ergebnisse bei der Quanteninformationsverarbeitung Anwendung finden.
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Halbleiter werden in der Elektronik auf vielfältige Weise verwendet. Dies liegt an ihren erstaunlichen Eigenschaften. Denn die elektrische Leitfähigkeit von reinen Halbleitern ist stark temperaturabhängig. Bei tiefen Temperaturen sind sie Isolatoren: sie besitzen also dann im Gegensatz zum Metall keine freibeweglichen Elektronen. Die Elektronen sitzen dabei paarweise gebunden zwischen den Atomen fest.
Zweidimensionales Lochgas
Bei steigender Temperatur brechen einige dieser Bindungen auf, und die dann frei beweglichen Elektronen erhöhen die Leitfähigkeit. Dort, wo das negativ geladene Elektron fehlt, entsteht eine Elektronenlücke, ein Loch, das positiv geladen ist und sich auch frei bewegen kann. Die Zahl von freien Elektronen oder Löcher kann durch Zugabe von geeigneten Fremdatomen, als Dotierung bezeichnet, signifikant erhöht werden.
Ordnet man diese positiv geladenen Löcher in einer Ebene an, so erhält man ein so genanntes zweidimensionales Lochgas. Was sich zunächst ungewöhnlich anhört, findet sich in Form von CMOS – complementary metal oxidesemiconductor – Transistoren in vielen elektronischen Geräten und somit in fast jedem Haushalt.
Lochgase mit erstaunlichen Eigenschaften
Ein Physikerteam um Professor Dieter Weiss vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Regensburg und Professor Werner Wegscheider, zwischenzeitlich an der ETH Zürich, konnte nun erstaunliche Eigenschaften dieser Lochgase bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt nachweisen, die bei der Quanteninformationsverarbeitung Anwendung finden könnten.
Dafür bauten die Wissenschaftler Manganatome (Mn) als Dotierstoff in zweidimensionale Lochgase ein. Die Besonderheit von Mangan ist, dass es ein magnetisches Moment (Spin) besitzt, sich also wie ein winziger Stabmagnet verhält. Im Anschluss maßen die Forscher den elektrischen Widerstand.
Ohne angelegtes Magnetfeld blieb das Lochgas isolierend. Verstärkten die Physiker aber das Magnetfeld, so fiel der Widerstand in erheblichem Maße. Zudem konnte die Wissenschaftler dabei Hysterese des Widerstandes beobachten: das heißt der Widerstand nahm beim Hoch- und Runterfahren des Magnetfeldes unterschiedliche Werte an. Dieser magnetfeldgetriebene Übergang von einem isolierenden in einen leitfähigen Zustand und die Hysterese sind höchst ungewöhnlich und auf das Wechselspiel zwischen Mn-Atomen und Löchern zurückzuführen.
Quantenmechanische Austauschwechselwirkung
Die Wissenschaftler konnten in Kooperation mit Physikern der Polnischen Akademie der Wissenschaften anschließend klären, dass diese Effekte auf der sogenannten quantenmechanischen Austauschwechselwirkung beruhen, auf die auch der Ferromagnetismus, beispielsweise von Eisen, zurückzuführen ist.
Durch diese Wechselwirkung kommt den Physikern zufolge eine „antiparallele“ Kopplung der magnetischen Momente – Spins – der Löcher und der Manganatome zustande. Führt man sich die Spins als Stabmagnet mit Nordpol und Südpol vor Augen, so bedeutet dies, dass sich Nord- und Südpol eines Mn-Atoms und eines Lochs gegenüberstehen. Die Pärchen stehen nach Angaben der Forscher auch mal Kopf, so dass in manchen Bereichen des Lochgases der Mn-Nordpol mal nach oben, mal nach unten zeigt.
Dieser ungeordnete Zustand ist mit einem hohen Widerstand verknüpft: Das System verhält sich dann wie ein Isolator. Erst ein genügend starkes Magnetfeld orientiert die Spins in eine Richtung bzw. „klappt sie um“ und das System wird elektrisch leitend.
Langsames „Umklappen“
Die Regensburger Forscher konnten dabei zeigen, dass dieses „Umklappen“ sehr langsam vor sich geht und viele Sekunden dauert. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Hysterese. Eine ähnlich lange Relaxationszeit – die Zeit, die ein angeregtes Objekt benötigt, um in den Grundzustand zurückzukehren – lässt sich bei anderen Ladungsträgern nicht nachweisen. Diese extrem langen Relaxationszeiten sind für Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Quanteninformationsverarbeitung interessant.
(idw – Universität Regensburg, 08.10.2010 – DLO)