Physik

Verschränkung wird makroskopisch messbar

Quantenphysikalisch verknüpfte Bewegungsmuster zweier Minitrommeln nachgewiesen

Mikrotrommeln
Physiker haben das Schwingen dieser beiden rund 20 Mikrometer kleinen Aluminium-Membranen quantenphysikalisch verschränkt und dies erstmals direkt gemessen. © Teufel/ NIST

Quanteneffekt im Mikrometerbereich: Erstmals ist es Forschern gelungen, makroskopische Objekte quantenphysikalisch zu verschränken und dies auch direkt zu messen. Dafür verknüpften sie die Schwingungsmuster von zwei 20 Mikrometer kleinen Aluminium-Trommeln und nutzten eine Art Mikrowellen-Radar, um die Korrelation der Anregungsmuster zu messen. Die Möglichkeit, Objekte dieser Größe messbar zu verschränken, erlaube neue Forschungsansätze und Anwendungen, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“.

Bei der quantenphysikalischen Verschränkung sind zwei Objekte so miteinander gekoppelt, dass der Zustandswechsel des einen automatisch den des Partners verursacht. Dies geschieht instantan und unabhängig von der Entfernung. Für Teilchen der Quantenwelt wie Photonen, Atome oder Moleküle ist dies fast schon Routine.

Doch wo liegt die obere Größengrenze für die Verschränkung? Wirkt der quantenphysikalische Effekt auch auf Alltagsobjekte – ohne dass wir es bemerken oder nachweisen können? Oder ist die Verschränkung auf den Mikrokosmos begrenzt, weil die Störeffekte bei größeren Objekten zu stark sind? Bislang ist diese Frage nicht eindeutig beantwortet, weshalb Physiker versuchen, die Obergrenze der Verschränkung immer weiter auszuloten.

Grenze des Möglichen weiter hinausgeschoben

Ein wichtiger Schritt dazu ist nun einem Team um Shlomi Kotler vom US National Institute of Standards and Technology in Boulder gelungen. Sie haben zwei Objekte von 20 Mikrometern Größe miteinander verschränkt und damit die Grenze der makroskopischen Verschränkung um ein weiteres kleines Stück verschoben. Zudem haben sie diese Verschränkung erstmals direkt mit einer Art „Mikrowellen-Radar“ gemessen. „Wir können die Verschränkung direkt in den gemessenen Variablen beobachten“, erklären die Forschenden.

Die Möglichkeit, eine makroskopische Verschränkung direkt zu messen, eröffnet ganz neue Anwendungsmöglichkeiten dieses quantenphysikalischen Phänomens. „Solche verschränkten makroskopischen Systeme könnten für fundamentale Tests der Quantenmechanik eingesetzt werden, als Sensoren Messungen jenseits des Quantenlimits erlauben und als langlebige Knoten in künftigen Quanten-Netzwerken fungieren“, erklären Kotler und seine Kollegen.

Schwingende Aluminium-Membranen

Konkret besteht ihr verschränktes System aus zwei runden Aluminium-Membranen von 20 Mikrometern Durchmesser und 100 Nanometer Dicke, die wie winzige Trommelfelle frei schwingen können. Jede dieser beiden hauchdünnen Membranen wiegt rund 70 Pikogramm und umfasst rund eine Billion Atome – nach quantenphysikalischen Maßstäben bewegt sich dies an der Grenze zur Makrowelt.

Im Experiment nutzte das Team zunächst Mikrowellenpulse, um diese Mikrotrommeln bis auf eine Temperatur knapp über dem absoluten Nullpunkt herunter zu kühlen. Durch weitere Pulse brachten sie die beiden Membranen dann in Schwingung und bewirkten dabei gleichzeitig eine Verschränkung dieser Bewegungen. Physikalisch ausgedrückt teilen die Trommeln nun Paare verschränkter Phononen miteinander – ihre elementaren Anregungsmuster waren verknüpft.

Mikrowellenpuls verrät Verschränkung

Dass eine Verschränkung zwischen den beiden Mikrotrommeln besteht, ermittelten die Forschenden durch zwei weitere Mikrowellenpulse, die von den Membranen reflektiert und anschließend verstärkt wurden. „Grob gesprochen messen wir, wie korreliert zwei Variablen sind: Wenn man beispielsweise die Position der einen Trommel misst, wie gut dann die Position der zweiten aus dieser Messung ableitbar ist“, erklärt Kotlers Kollege John Teufel.

Aus den Ergebnissen der rund 10.000-mal wiederholten Testdurchgänge ging hervor, dass die Bewegungen der beiden Mikrotrommeln jeweils eine Millisekunde lang verschränkt waren – nach Quantenmaßstäben eine lange Zeit. „Wenn man Position und Impuls beider Trommeln einzeln analysiert, erscheinen sie unabhängig voneinander“, erklärt Teufel. „Aber wenn man sie zusammen betrachtet, sieht man, dass die vermeintlich zufällige Bewegung der einen Trommel hochgradig mit der der anderen korreliert ist. Dies geschieht auf eine Weise, die nur durch eine Quantenverschränkung möglich ist.“ (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abf2998)

Quelle: National Institute of Standards and Technology (NIST)

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