Einfach zu beobachten, schwer zu erklären: Wenn wir uns zu zaghaft eine Tasse Tee einschenken, läuft die Flüssigkeit am Schnabel der Kanne runter – es kleckert. Wissenschaftler haben nun erstmals herausgefunden, wo dieser sogenannte „Teapot-Effekt“ herrührt. Entscheidend ist demnach ein kleiner Tropfen an der Unterseite des Schnabels. Dieser kann den gesamten Tee-Strom umlenken.
Wer kennt es nicht: Beim Versuch Tee in eine Tasse zu gießen läuft das Getränk häufig am Hals der Kanne runter und tropft auf die Tischdecke. Um das zu verhindern hilft es, den Tee mit mehr Schwung einzuschenken. Was erstmal trivial klingt, stellt Wissenschaftler schon seit mehreren Jahrzenten vor ein Rätsel. Der Ingenieur Markus Reiner beschrieb schon 1956 erstmals den „Teapot-Effekt“, konnte ihn aber physikalisch nicht endgültig erklären.
Kleiner Tropfen, große Wirkung
„Obwohl es sich um einen ganz alltäglichen und scheinbar simplen Effekt handelt, ist es bemerkenswert schwierig, ihn im Rahmen der Strömungsmechanik exakt zu erklären“, sagt Bernhard Scheichl von der TU Wien. Ein Team um Schleichl hat das Phänomen nun erstmals in einer Studie mathematisch vollständig beschrieben. Durch komplexe strömungsmechanische Analysen und Experimente konnten sie letztendlich den Schuldigen ausfindig machen.
Ein kleiner Tropfen an der Unterseite des Teekannen-Schnabels ist den Ergebnissen zufolge für die Kleckerei verantwortlich. Er hemmt den Fluss des Tees und lenkt ihn an der Kannenwand entlang statt in die Tasse. „Uns ist es nun erstmals gelungen, eine vollständige theoretische Erklärung dafür zu liefern, warum sich dieser Tropfen bildet und die Unterseite der Kante immer benetzt bleibt“, sagt Schleichl.
Tempo und Ausgussform entscheidend
Wie groß der störende Tropfen ist, hängt laut der Studie entscheidend von der sogenannten Weber-Zahl ab. Sie beschreibt das Verhältnis zwischen der Trägheit der Flüssigkeit und der Oberflächenkraft und ist quadratisch von der Geschwindigkeit des ausströmenden Tees abhängig. Wenn der Tee zu langsam aus der Kanne gegossen wird, obsiegt dadurch die Oberflächenspannung und der Strahl wird entlang der Schnabelkante abgelenkt. Dann tropft der Tee auf den Tisch.
Die Fließgeschwindigkeit des Tees ist laut Schleichl und seinen Kollegen aber nicht nur von der Neigung der Kanne abhängig. Kapillarkräfte an der Porzellanoberfläche bremsen die Flüssigkeit entscheidend ab. Hinzu kommt: Je kleiner der Winkel an der Abbruchkante des Schnabels ist, desto eher bleibt der Flüssigkeitsstrom an der Oberfläche haften.
Auch auf dem Mond
Interessanterweise spielt die Schwerkraft für diesen Effekt nur eine untergeordnete Rolle. Sie legt bloß die Richtung fest, in die sich der Tropfen an der Schnabelkante bildet. Wie stark die Schwerkraft ist, macht keinen großen Unterschied. Wenn wir uns also auf dem Mond eine Tasse Tee einschenken würden, wäre der Teapot-Effekt ähnlich zu beobachten.
Wenn allerdings keine Schwerkraft herrscht – wie es beispielsweise auf einer Raumstation der Fall ist – bildet sich kein Tropfen und wir können uns gefahrlos eine Tasse eingießen. (Journal of Fluid Mechanics, 2021; doi: 10.1017/jfm.2021.612)
Quelle: Technische Universität Wien