Das Elektron ist eines der wichtigsten Elementarteilchen, denn es beeinflusst das Verhalten aller Atome und Moleküle im Universum. Jetzt ist es deutschen Forschern gelungen, seine Masse so genau zu bestimmen wie nie zuvor. Dies ermöglicht künftige noch präzisere Tests des physikalischen Standardmodells und könnte sogar bei der Erforschung der Dunklen Materie helfen, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Das Elektron ist einer der Grundbausteine der Materie, denn erst dieses negativ geladene Teilchen komplettiert den positiven Atomkern zu einem Atom. Gleichzeitig hält das Elektron auch die in Molekülen verbundenen Atome zusammen und verleiht ihnen ihre typischen Eigenschaften. Das leichteste unter den elektrisch geladenen Elementarteilchen bildet zudem eine Grundlage des Standardmodells der Physik. Die Masse des Elektrons ist eine der möglicherweise fundamentalen Konstanten dieses Modells und beeinflusst zahlreiche andere Parameter.
Wie wiegt man ein Elementarteilchen?
Das Problem dabei: Die Masse des Elektrons ist so gering, dass sie mit keiner Waage der Welt direkt messbar wäre. Stattdessen muss man auf indirekte Methoden zurückgreifen. Bisher erfolgten diese Messungen meist in einer sogenannten Penningfalle. Dabei wird das Elektron in einem starken Magnetfeld eingefangen und in eine kreisförmige Bewegung versetzt. Die Merkmale dieser Bewegungen, die sogenannte Cyclotron-Frequenz, lassen sich messen und mit der von geladenen Teilchen mit bekannter Masse vergleichen.
„Bei einem Formel-1-Rennen auf einem Rundkurs können Zuschauer mitzählen, wie oft ein Rennwagen vorbei rast, und mit Hilfe der Streckenlänge daraus seine Geschwindigkeit abschätzen“, erklärt Projektleiter Sven Sturm vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. So ähnlich funktioniert das auch in der Penningfalle, wobei die Physiker zusätzlich das winzige Kreiseln des Elektronenspins im Magnetfeld mit erfassen.
Eine Mücke im Airbus
Doch alle sinnvoll als Vergleichsgewichte einsetzbaren Elementarteilchen sind viel schwerer als das Elektron. „Das Proton oder das Neutron zum Beispiel ist zweitausend Mal schwerer“, erklärt Klaus Blaum, Direktor am MPI für Kernphysik. „Das wäre als wenn man ein Kaninchen mit einem Elefanten als Gegengewicht wiegen wollte.“ Mangels Alternative beruht aber auch der offizielle Referenzwert für die Elektronenmasse auf diesen Messungen. Die relative Unsicherheit dieses Werts liegt bei 4 x 10 hoch -10.
Sturm und seine Kollegen haben nun die Messung mit der Penningfalle abgewandelt. Statt die Cyclotron-Frequenz des Elektrons mit dem eines anderen Teilchens zu vergleichen, schossen sie einem Kohlenstoffatom fünf seiner sechs Elektronen weg und maßen Kern und Elektron gemeinsam. Der Vorteil dabei: Die Masse des Kohlenstoffkerns ist genau bekannt und erlaubt es in Kombination mit dem Elektron, dessen Masse genauer zu bestimmen als zuvor. „Umgerechnet auf einen Airbus A-380 könnten wir allein durch Wiegen feststellen, ob eine Mücke als blinder Passagier an Bord ist“ , so Sturm.
Neue Tests des Standardmodells möglich
Mit diesen Messungen kamen die Forscher auf eine Masse des Elektrons von 0,000548579909067 atomaren Masseneinheiten. Eine atomare Masseneinheit ist definiert als der zwölfte Teil eines Kohlenstoff-12-Atoms. Die relative Genauigkeit für den neuen Wert liegt bei 3 x 10 hoch -11. Das ist 13 Mal genauer als bisher möglich. „Dieses Ergebnis bereitet die Bühne für zukünftige Ultra-Hochpräzisions-Tests des Standardmodells bei niedrigen Energien“, konstatieren die Forscher.
So könnte sich beispielsweise die Feinstrukturkonstante Alpha besser bestimmen lassen – sie gibt die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung wieder. „Sie beschreibt im Grunde alles, was wir sehen“, erklärt Blaum. „Denn sie spielt in der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie eine zentrale Rolle.“ Auch die für die Berechnung von Atomspektren wichtige Rydberg-Konstante wird durch die Elektronenmasse mitdefiniert. Die genauere Kenntnis dieser Konstanten eröffnet daher neue Wege, um mehr über die fundamentalen Wechselwirkungen der Materie zu erfahren. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13026)
(Nature, 20.02.2014 – NPO)