Physik

Wenn Elektronen im Sechseck springen

Graphen zwingt Elektronen von der gängigen Kreisbahn in eine hexagonale Bewegung

Elektronenbewegung
In doppellagigem Graphen bewegen sich Elektronen unter Magneteinfluss im Sechseck, statt wie sonst üblich im Kreis. © Ming-Hao Liu, Tainan

Ungewöhnlicher Effekt: Normalerweise bewegen sich Elektronen in einem Magnetfeld immer auf einer Kreisbahn – egal ob im Inneren eines Kristalls oder in einem riesigen Teilchenbeschleuniger. Doch im Graphen ist das anders: Eingesperrt zwischen zwei Kohlenstofflagen folgen die Elektronen einem Sechseck-Kurs, wie nun ein Experiment enthüllt. Das bestätigt die elektronische Besonderheiten des Graphens, eröffnet aber auch Ansätze für maßgeschneiderte Materialien.

Schon in der Schule haben wir gelernt, dass sich geladenen Teilchen wie Elektronen oder Ionen im Magnetfeld auf Kreisbahnen bewegen. Schuld daran ist die Lorentzkraft, die senkrecht zur Bewegungsrichtung der Elektronen am stärksten wirkt und sie daher seitlich ablenkt. Dieser Effekt lässt sich bei Elektronen in Metallen und Halbleitern beobachten, wird aber auch gezielt genutzt, um beispielsweise Elektronen in Teilchenbeschleunigern oder Freie-Elektronen-Lasern auf Kurs zu halten.

Elektronendynamik im Graphen

Doch wie sich nun zeigt, gibt es offenbar ein Material, in dem diese Kreisbahnregel nicht gilt: Graphen. Dieses aus einem einlagigem Kohlenstoffnetz bestehende Material ist härter als Stahl und zeigt ungewöhnliche elektrische Eigenschaften. Legt man beispielsweise zwei Graphenschichten in einem bestimmten Winkel übereinander, wird es zum Supraleiter.

Eine solche Graphen-Doppelschicht haben nun auch Rainer Kraft vom Karlsruher Institut für Technologie und seine Kollegen für ihr Experiment verwendet. Sie legten zwei Graphenschichten dabei so übereinander, dass das Gitter aufgrund des Moiré-Effekts periodische Muster bildete. Legt man nun ein Magnetfeld an, verändert diese spezielle Gitterkonfiguration auch die Bewegung der Elektronen, wie Analysen ergaben.

Quanten-Effekte lenken Elektronen auf hexagonale Bahnen

Konkret beobachteten die Forscher, dass die Elektronen im Graphen nicht mehr wie sonst üblich auf Kreisbahnen, sondern entlang hexagonaler Bahnen liefen. „Die Dynamik der Teilchen in schwachen Magnetfeldern ist durch merkwürdig gerade Bahnabschnitte gekennzeichnet“, berichten Kraft und sein Team. Dadurch beschreiben die Elektronen ein Sechseck statt eines Kreises – ein für solche Teilchen neues Verhalten.

Energiefläche
Diese Grafik verdeutlicht die komplexe Energiefläche, die durch Quanten-Effekte im doppellagigen Graphengitter entsteht. © Ming-Hao Liu, Tainan

Als Ursache dafür vermuten die Wissenschaftler Quanteneffekte, die durch die Wechselwirkung der geladenen Teilchen mit dem Moiré-Gitter des Graphens entstehen. Offenbar spielt dafür die ungewöhnliche Struktur der Energiebänder im Graphen eine entscheidende Rolle. Diese beschreiben die Energieniveaus, die die Elektronen im Material einnehmen.

Während die Lage dieser Bänder normalerweise dafür sorgt, dass sich die Elektronen besonders gut im Graphen bewegen können, scheint sie die Doppelschicht quantenphysikalisch stärker einzuschränken.

Ausgangspunkt für neue Materialien

Nach Ansicht der Wissenschaftler eröffnen ihre Ergebnisse nun neue Einblicke in solche emergenten Quanteneffekte, könnte aber auch ganz praktisch genutzt werden, um neue Materialien mit maßgeschneiderten elektronischen Eigenschaften zu erzeugen. Durch gezielte Manipulation der Gitterstrukturen ließe sich die Laufrichtung ihrer Elektronen robust und ganz gezielt vorgeben. Das wäre ein weiterer Schritt hin zu einer Entwicklung neuer elektronenoptischer Bauelemente, so Kraft und seine Kollegen. (Physical Review Letters¸ 2020; doi: 10.1103/PhysRevLett.125.217701)

Quelle: Universität Regensburg

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