Boomende Märkte, steigende Preise, schrumpfende Reserven: Rohstoffe sind zurzeit in aller Munde – nicht nur in Wirtschaft und Politik. Denn auch Forscher von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover beschäftigen sich intensiv mit der Zukunft von Erdöl, Kohle oder Erzen. Wie lange reichen unsere Rohstoffreserven noch? Wie viel werden wir in Zukunft zahlen müssen, um unseren Bedarf zu decken? Auf diese und viele andere Fragen versuchen sie eine Antwort zu finden.
In unserem Alltag sind wir in hohem Maße von Energierohstoffen abhängig – egal ob es um eine heiße Dusche, eine warme Mahlzeit oder die tägliche Fahrt zur Arbeit geht. Noch mehr Energie wird für die industriellen Produktionsprozesse, das Transportwesen und Dienstleistungen benötigt.
In den letzten drei Jahrzehnten ist der Primärenergieverbrauch weltweit um mehr als Zweidrittel gestiegen. Den größten Anteil des „Energiehungers“ deckt dabei derzeit Erdöl mit einem Anteil von 38 Prozent (%). Erdgas (23 %), Kohle (25 %), erneuerbare Energie (sieben %) und Kernenergie (sechs %) steuern den Rest bei.
1.000 Tonnen mineralische Rohstoffe pro Person
Auch der Bedarf an mineralischen Rohstoffen ist enorm. So verbraucht jeder Deutsche im Lauf seines Lebens durchschnittlich circa 1.000 Tonnen (t) Erze, Gips, Feldspat oder Kalk. Dabei handelt es sich vor allem um Baurohstoffe für den Hausbau und die Infrastruktur, metallische Rohstoffe für Fahrzeuge und Industrieanlagen sowie Industrieminerale beispielsweise für Düngemittel.
„Vor allem, wenn Rohstoffe knapper und teurer werden, wird uns bewusst, dass unsere Industriegesellschaft zu einem großen Teil auf der Nutzung von nicht erneuerbaren Rohstoffen basiert.“, sagt Dr. Volker Steinbach von der BGR. „Die seit 2003 andauernde Hausse der Rohstoffpreise, die im Allgemeinen der wirtschaftlichen Entwicklung der industriellen Schwellenländer Chinas, Indiens und Brasiliens zugeschrieben wird, hat erneut Fragen nach der Sicherheit der Rohstoffversorgung aufgeworfen.“
Neue Rollenverteilung beim Rohstoffkonsum
Die BGR-Wissenschaftler um Steinbach haben unter anderem festgestellt, dass sich beim Verbrauch von mineralischen und Energie-Rohstoffen in den letzten Jahren ein deutlicher Wandel abzeichnet. Die alte Faustregel, dass ein Fünftel der Menschheit 80% der Rohstoffförderung konsumieren, gilt nicht mehr. Mit Indien und China sowie anderen bevölkerungsreichen Schwellenländern ist heute über die Hälfte der Weltbevölkerung an der Nutzung von Rohstoffen entscheidend beteiligt. Bei den sich abzeichnenden demographischen und wirtschaftlichen Entwicklungen könnte sich im Laufe der nächsten 30 Jahre der derzeitige weltweite Rohstoffverbrauch sogar verdoppeln.
Um nun ein Szenario für die längerfristige Perspektive der Rohstoffmärkte oder sogar eine Abschätzung der Reichweite von bestimmten Rohstoffen entwickeln zu können, betrachten die Forscher sowohl das Angebot als auch die Nachfrage. „Dabei muss die regionale Verteilungsproblematik der Rohstoffe berücksichtigen werden, genauso wichtig ist aber zudem die Intergenerationengerechtigkeit. Denn auch künftigen Generationen müssen ausreichend Rohstoffe für die Entwicklung zur Verfügung stehen“, erläutert Steinbach. „In einem wirtschaftlich strategischen Ansatz hingegen sind die geologische, die technische und die Markt-Verfügbarkeit zu untersuchen.“
Rohstoffe genug?
Die geologische Verfügbarkeit von mineralischen Rohstoffen macht den Wissenschaftlern der BGR derzeit kaum Sorgen. Denn aufgrund des enormen Lagerstättenpotentials der Erde ist kein Erschöpfungszeitpunkt absehbar – selbst wenn die bekannten Reserven einzelner mineralischer Rohstoffe teilweise nur für Jahrzehnte vorhalten.
Eine oft verwendete, aber an sich irritierende, Beurteilungsgröße für eine Bewertung der Verfügbarkeit von Rohstoffen in der Zukunft ist ihre (statische) Reichweite oder Lebensdauer. Sie ergibt sich aus dem Quotienten der derzeit bekannten und wirtschaftlich gewinnbaren Vorräte eines Rohstoffs und der aktuellen Jahresförderung.
„Die Kennziffer beschreibt aber nur den augenblicklichen Kenntnisstand und ist somit eine Momentaufnahme eines sich dynamisch entwickelnden Systems“, schränkt Dr. Jürgen Vasters ein, der ebenfalls an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) tätig ist. „Denn in der Realität ändern sich die Ausgangsgrößen, nämlich die Vorräte und die Produktionsmengen ständig.“ Dies liegt zum einen an der fortschreitenden Exploration und verbesserten Fördertechniken. Andererseits passt sich die Produktion in der Regel dem Bedarf an Rohstoffen an. Beide Ausgangsgrößen – Vorräte und Produktion – werden darüber hinaus maßgeblich vom Preis bestimmt.
„Die Reichweite beziehungsweise die Lebensdauer sagt daher nichts über den endgültigen Erschöpfungszeitpunkt mineralischer Rohstoffe aus, sondern gilt unter Fachleuten eher als ein Indikator für die Notwendigkeit von Explorations- und Innovationsaktivitäten“, so Vasters. Eine ständig wachsende Rolle für die Sicherung der Rohstoffverfügbarkeit spielen heute bereits das Rohstoffrecycling, das Ersetzen von höherwertigen Rohstoffen durch Massenrohstoffe sowie der sparsame und effiziente Umgang mit Rohstoffen.
„Peak Oil“ in Sicht
Anders als bei den mineralischen Rohstoffen ist die Situation beim Erdöl. Es entsteht nur in bestimmten Tiefenbereichen der Erdkruste, etwa zwischen 1.500 und 3.500 Meter (m). Oberhalb ist es zu kalt, unterhalb zu heiß. Dieser Tiefenbereich ist jedoch in nahezu allen Sedimentbecken der Erde bereits weitgehend erkundet.
Da in der Erdölindustrie zudem die Erfahrungsregel gilt, dass die großen Lagerstätten zuerst entdeckt werden, sind die geologischen Potentiale für konventionelles Erdöl zu einem hohen Grad abschätzbar. Die Wissenschaftler der BGR rechnen deshalb mit einem Höhepunkt der weltweiten Förderung von konventionellem Erdöl, dem so genannten „Peak Oil“, bis 2020. Danach erfolgt vermutlich ein Rückgang der Produktion.
„Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird der Preis signifikant ansteigen, so dass auch unkonventionelle Ölressourcen wie beispielsweise Schweröl- und Ölschiefervorkommen sowie Teersande oder die Kohleverflüssigung wirtschaftlich werden können“, wagt Prof. Bernhard Cramer, Energieexperte der BGR, einen Blick in die Zukunft.
Erdgas ist im Gegensatz zum Erdöl dagegen genügend vorhanden, um lange Zeit den Bedarf zu decken. Das größte Potenzial im Vergleich zu den übrigen nicht-erneuerbaren Energie-Rohstoffen besitzt aber die Kohle, die noch über viele Jahrzehnte in ausreichender Menge zur Verfügung steht.
Explorationsaktivitäten und Anpassungsfähigkeit
„Die geologische Verfügbarkeit von Rohstoffen wird durch die Explorationstätigkeiten nachgewiesen. Steigen die Preise beispielsweise für Erdgas, ist dies in der Regel auch ein Anreiz, die Explorationsaktivitäten für diesen Rohstoff zu verstärken“, so Steinbach.
Je intensiver die Explorationsaktivitäten jedoch sind, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit bis dahin unbekannte Lagerstätten zu entdecken. Häufig muss sich aber auch erst ein neues geologisches Konzept oder eine neue Explorationsmethode als erfolgreich erweisen, um einen Entdeckungsschub auszulösen.
Die technische Verfügbarkeit der Rohstoffe dagegen bestimmen die aktuellen Produktions- oder auch Infrastrukturkapazitäten. Sie unterliegen somit der Anpassungsfähigkeit der Marktakteure. Wie viele mineralische Rohstoffe beispielsweise tatsächlich abbaubar sind, hängt dabei unter anderem vom Investitionsverhalten der Bergwerksgesellschaften ab.
Gerade am Markt für mineralische Rohstoffe hat es in letzter Zeit sowohl Lieferengpässe als auch heftige Preisausschläge gegeben, die Fragen zur Marktverfügbarkeit aufgeworfen haben. „Durch Handelsbeschränkungen und –hemmnisse kam es hier in verschiedenen Wirtschaftsräumen zu durch den Rohstoffmangel bedingten Produktionseinschränkungen, z.B. bei der Stahlherstellung durch das Fehlen von Hochofenkoks“, erläutert Steinbach.
Freier Zugang zu Rohstoffen
Insbesondere für rohstoffabhängige Volkswirtschaften – zu denen auch Deutschland gehört – ist der freie Marktzugang aber überlebenswichtig. Betroffen sind vor allem Buntmetall-Sekundärrohstoffe, wie beispielsweise Kupfer, aber auch Rohstoffe, deren Markt nicht nach klaren und transparenten Regeln funktioniert. So werden im großen Maßstab Altautos aus Deutschland, die als fahrbereit deklariert wurden, zur Verschrottung ins Ausland gebracht und damit der einheimischen Recyclingindustrie Rohstoffe entzogen. Auch dadurch dass europäische Unternehmen sich in ihrem Rohstoffbezug an gute Einkaufspraktiken halten, ziehen Sie immer häufiger beim Einkauf von strategischen Rohstoffen wie z.B von Tantalkonzentraten, den Kürzeren gegenüber Konkurrenten, die weniger Skrupel zeigen. Die Handelspolitik der EU strebt daher neben der Öffnung der Exportmärkte auch die Sicherung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu den Rohstoffen an.
Der enorme Run auf mineralische Rohstoffe wirft verstärkt Fragen zu den globalen Auswirkungen des Bergbaus auf die Umwelt und die Gesellschaft auf. Dementsprechend werden „Codes of Conduct“ von Bergbauunternehmen, nationalen Regierungen und internationalen Organisationen erarbeitet. Weiterhin werden von der internationalen Gemeinschaft neue Transparenz-Initiativen entwickelt, um nachhaltige und entwicklungspolitisch relevante ökonomische, finanzielle, soziale und Umwelt-Standards im Bergbau, im Rohstoffhandel sowie bei der Rohstoffverarbeitung einzuführen. Ein Beispiel hierfür ist das gegenwärtig von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffen (BGR) im Rahmen der G8-Initiative entwickelte Programm der „Zertifizierung von Handelsketten mineralischer Rohstoffe“.
Vor dem Hintergrund der erhöhten Nachfrage nach Rohstoffen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) die „Elemente einer Rohstoffstrategie der Bundesregierung“ im Jahr 2007 entwickelt. Mit dem Zieldreieck von Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit orientiert sich die deutsche Rohstoffpolitik am Leitbild der Nachhaltigkeit.
Links:
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
Elemente einer Rohstoffstrategie der Bundesregierung
(Volker Steinbach, Bernhard Cramer und Jürgen Vasters, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), 07.03.2008 – DLO)