Physik

Wie elastisch ist das Zellgerüst?

Neues Modell erklärt Elastizität von Mikrotubuli physikalisch

Modell eines Mikrotubulus © LBL

Sie spielen für viele Zellfunktionen eine wichtige Rolle: Mikrotubuli, stabförmige Zellbausteine. Jetzt haben Wissenschaftler mithilfe einer Kombination aus Einzelmolekülexperimenten und einem neuen theoretischen Modell ihr elastisches Verhalten erstmals physikalisch erklärt. Die Ergebnisse, die auch für die Entwicklung biologischer Maschinen bedeutsam sein können, wurden in der aktuellen Ausgabe von „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Mikrotubuli sind stabförmige Proteinbausteine des Zytoskeletts, also des Grundgerüsts biologischer Zellen. Sie kommen in verschiedenen Größen und Architekturen vor und spielen eine entscheidende Rolle für viele Zellfunktionen. Als molekulare Zugseile sind sie bei der Zellteilung von großer Bedeutung und dienen gleichzeitig als molekulare Schienen dem Transport von Substanzen. Um die Funktionsweise dieser Strukturen zu erklären, ist es wichtig, ihre elastischen Eigenschaften zu verstehen. Bisher verwendete die Wissenchaft dafür ein Modell, bei dem sie von homogenen, isotropen Stäben ausging, die einzig und allein durch ihre Biegefestigkeit charakterisiert werden. Man spricht vom „Wormlike Chain“-Modell, auf deutsch etwa: „wurmartige Kette“.

Altes Modell im Widerspruch zu Beobachtungen

Der theoretische Physiker Professor Erwin Frey von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat nun zusammen mit Kollegen von der University of Texas und dem „European Molecular Biology Laboratory“ in Heidelberg gezeigt, dass dieses Standardmodell das elastische Verhalten von Mikrotubuli nicht ausreichend erklärt. So kann man beobachten, dass längere Stäbe steifer sind als kurze, was nicht mit dem „Wormlike Chain“-Modell zu beschreiben ist.

Den Wissenschaftlern gelang nun die Entwicklung eines neuen Modells, das die molekulare Struktur der Mikrotubuli berücksichtigt. Bei diesen handelt es sich um Röhren mit einem Durchmesser von etwa 25 Nanometern, die ihrerseits aus kleinen parallel angeordneten Stangen gebildet werden, so genannten Protofilamenten, die sich gegeneinander verschieben lassen. Zwischen diesen aus winzigen kugelförmigen Proteinen bestehenden Stangen treten molekulare Reibungs- und Federkräfte auf. Eine Verbiegung solcher Strukturen kann man sich in etwa wie das Biegen eines Buches vorstellen, bei dem die Seiten aneinander entlang gleiten.

Verbiegen gibt Hinweis auf Elastizität

Zur Beschreibung der elastischen Eigenschaften solcher hierarchischer molekularer Architekturen haben Frey und seine Mitarbeiter Heussinger und Bathe eine neue vereinheitlichte Theorie der „Wormlike Bundles“ entwickelt, bei der die Reibungs- und Federkräfte berücksichtigt werden. Die Wissenschaftler haben zur Überprüfung ihrer Theorie im Labor die temperaturabhängen Veränderungen von Mikrotubuli analysiert. Dazu haben sie diese mit Fluoreszenzmarkern versehen und anschließend die Marker unter dem Mikroskop beobachtet. Aus dem Versatz beim Verbiegen konnte die Zeit bis zur Rückkehr in die Ausgangslage berechnet werden – eine wichtige Kenngröße der elastischen Eigenschaften. Bei kurzen Mikrotubuli mit einer Länge unter zehn Mikrometern stieg diese Relaxationszeit quadratisch mit der Länge an.

Diese quadratische Abhängigkeit kann nur mit dem neuen „Wormlike Bundle“-Modell erklärt werden. Bei noch kleineren Mikrotubuli kürzer als fünf Mikrometer lassen die Messergebnisse darauf schließen, dass innere Reibung zusätzliche Beiträge zur Fluktuationsdynamik liefert.

Die neuen Erkenntnisse bilden auch eine Grundlage für die Konzeption und den Bau künstlicher biologischer Maschinen. So hängt die Funktionsweise von biologischen Schaltern oder Transportmechanismen in hohem Maße mit den elastischen Eigenschaften der verwendeten Grundbausteine zusammen. Die Anwendung der Theorie auf Kohlenstoff-Nanoröhren liefert zudem einen wichtigen Beitrag für die Forschungsarbeiten an diesen vielversprechenden neuen Materialien.

(Universität München, 17.01.2008 – NPO)

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