Kein Stocken mehr: Künstliche Intelligenz könnte künftig Staus auf der Datenautobahn vermeiden helfen. Möglich wird dies dank eines KI-Systems, das selbst bei verschlüsselten Datenströmen erkennen kann, ob es sich um Downloads, Videostreams oder andere Daten handelt. Dadurch können die Switches – die Verkehrsampeln der Datenautobahn – den Datenpaketen die passenden Prioritäten zuteilen und ihre Qualität optimal regeln. Wichtig ist dies vor allem deshalb, weil immer mehr Daten übertragen werden müssen.
Ob Online-Spiele, das Streamen von Filmen und Serien oder die Videokonferenz: Immer mehr Anwendungen sind auf eine gut funktionierende Internetverbindung angewiesen. Die Anforderungen sind jedoch unterschiedlich: Bei Gamern ist eine möglichst geringe Latenz wichtig, um rechtzeitig reagieren zu können. Beim Streamen zählt eine möglichst konstante Datenrate, damit das Bild nicht einfriert oder ruckelt. Und ein großer Download soll möglichst schnell und gleichzeitig fehlerfrei erfolgen.
Warum es hakt
Um das alles zu gewährleisten, müssen die Netzwerk-Operatoren den Internet-Datenverkehr effektiv und an die Nutzungsart angepasst regeln. Dafür müssen sie allerdings Art und Qualität der jeweiligen Datenströme möglichst schnell und genau bewerten können. „Viele Datenverbindungen erfolgen heute aber verschlüsselt“, erklärt Erstautor Michael Seufert von der Universität Augsburg. „Es lässt sich nicht einfach erkennen, ob ein Datenpaket zu einem Video, zu einer Webseite oder zu einem Download gehört. Das erschwert es, die Datenströme je nach Nutzung angepasst und gerecht zu verteilen.“
Eine Lösung für dieses Problem könnte die künstliche Intelligenz bieten. Zwar wird auch jetzt schon maschinelles Lernen für die Netzwerk-Überwachung eingesetzt, diese Systeme arbeiten jedoch meist offline. „Der überwachte Datenverkehr muss daher abgefangen oder gespiegelt und zu einem externen Server geschickt werden“, erklären Seufert und seine Kollegen. Das kostet Zeit und Ressourcen.
Künstliche Intelligenz als Datensortierer
Das Team um Seufert hat deshalb ein System entwickelt, das die Qualität selbst verschlüsselter Datenströme online und in Echtzeit bewerten kann: „Wir haben eine Methode entwickelt, bei der ein Switch, der ein sehr hohes Aufkommen an Internet-Daten weiterleitet, zusätzlich in Echtzeit deren Qualität bewerten kann“, erklärt der Forscher. „Wir sprechen hier von mehreren Terabit pro Sekunde – das sind Größenordnungen, wie sie etwa bei 250.000 gleichzeitigen Videostreams anfallen würden.“
Möglich wird dies, weil ein Teil des KI-basierten Systems direkt in zentralen Netzwerk-Komponenten und Gateways sitzt. Anders als bei gängigen Systemen erkennt schon dieses Teilsystem die wesentlichen Merkmale der Datenströme. Dafür wird die Künstliche Intelligenz auf Basis neuronaler Netzwerke speziell trainiert: „Wir erzeugen dazu im Labor automatisiert verschiedene Datenströme – zum Beispiel, indem wir Smartphones per Mobilfunk ein Video aufrufen lassen, mit verschiedenen PCs per DSL oder Glasfaser eine Reihe von Downloads starten oder auch andere Dienste nutzen“, sagt Seufert.
Prototyp erkennt selbst Cyberangriffe
Erste Tests ergaben bereits, dass das „Marina“ getaufte System leistungsfähig genug ist, um Datenströme von Videostreaming, dem Internet der Dinge oder auch Hackerangriffe mit hoher Trefferrate von mehr als 90 Prozent zu erkennen, wie das Team berichtet. „Die Ergebnisse zeigen, dass Netzwerk-Operatoren das Marina-System effektiv nutzen können, um Qualität und Anwendung des Datenverkehrs im Netzwerk zu überwachen“, berichten Seufert und seine Kollegen.
Die Forscher sehen in ihrem KI-basierten System eine gute Lösung, um die Datenströme im Internet möglichst störungsfrei und effizient zu regulieren. „Da die Datenmengen im Internet so stark wachsen, werden immer wieder Situationen auftauchen, in denen es zu Engpässen kommt“, sagt Seufert. „Wir wollen mit unserer Forschung ermöglichen, diese Engpässe so geschickt zu managen, dass sie möglichst wenige Menschen stören.“ (IEEE Transactions on Network and Service Management, 2024; doi: 10.1109/TNSM.2024.3382393)
Quelle: Universität Augsburg