Trinkwasser aus der Luft: Metallorganische Gerüst-Moleküle (MOF) können Wasserdampf aus der Luft aufnehmen und so der Wassergewinnung dienen. Wie die MOF-Materialien dies bewerkstelligen, haben Forschende nun aufgeklärt. Demnach bilden sich in den Hohlräumen dieser porösen Materialien zunächst Cluster von Wassermolekülen, die dann die Poren nach und nach ausfüllen. Diese Erkenntnis könnte helfen, die Gerüstmoleküle so zu optimieren, dass mit dieser Technik in Wüstenregionen mehr Wasser als bislang aus der Atmosphäre gewonnen werden kann.
Vor etwa 25 Jahren haben Forschende eine besondere Materialklasse entdeckt, die sogenannten hierarchischen metallorganischen Gerüste (Metal Organic Frameworks), kurz „MOFs“. „Bei diesen Materialien handelt es sich um hochporöse Festkörper aus Metallen oder Metall-Sauerstoff-Clustern, die durch Säulen aus organischen Verbindungen modular verbunden sind“, erklärt Erstautor Ahmed Attallah vom Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR). Durch diese Struktur entstehen Netzwerke von unterschiedlich großen Hohlräumen im Nanometerbereich, die einer feinen Käfigstruktur oder den winzigen Poren eines Küchenschwamms ähneln.
„Wundermaterialen“ mit breiter Anwendung
Dank dieser porösen Hohlräume verfügen die metallorganischen Gerüstverbindungen über besondere Eigenschaften, die ihnen den Ruf von „Wundermaterialien“ eingebracht haben. Je nachdem, welche Metalle und organischen Gerüste verwendet werden, lassen sich die MOFs und ihre Eigenschaften inzwischen auch maßschneidern und sind sogar beliebig formbar. Die Bandbreite möglicher Anwendungen ist entsprechend groß. Unter anderem könnten die MOFs zur Gasspeicherung, zur Trennung von Stoffen, zur Katalyse von chemischen Reaktionen, als Sensoren oder Wärmepumpen verwendet werden. Beispielsweise lässt sich mit solchen Gerüstmolekülen Glyphosat aus Wasser filtern oder CO2 aus Abgasen.
Darüber hinaus können die Gerüstverbindungen auch Wasserdampf aus der Luft aufnehmen und so beispielsweise in Wüstenregionen zur Gewinnung von Trinkwasser beitragen. Möglich ist dies, weil diese Moleküle die gasförmigen Wassermoleküle selektiv aus der Luft binden und sie dann bei Zufuhr von Wärme oder Verringerung des Drucks als flüssiges Wasser wieder abgeben. Erste entsprechende Techniken werden bereits erprobt, sind aber noch nicht sehr effektiv. Die derzeitigen Materialien gewinnen pro Kilogramm MOF täglich 1,3 Liter Wasser aus Wüstenluft.
Atomare Vermessung der Hohlräume
Wie genau die Wasseradsorption durch die metallorganischen Gerüstverbindungen auf atomarer Ebene funktioniert, war jedoch bislang unklar. Attallah und seine Kollegen haben dies nun genauer untersucht. Zu diesem Zweck stellte das Team zwei stabile MOFs auf der Basis der chemisch ähnlichen Metalle Zirkonium und Hafnium her, die je von einem organischen Gerüst aus 2,5-Thiophendicarbonsäure gehalten werden. Die beiden MOFs hatten dadurch denselben 3D-Aufbau und dieselben Porengrößen.
Anschließend untersuchten die Forschenden mit verschiedenen Techniken die Eigenschaften dieser Materialien. Zum einen bestimmten sie, wie viel Stickstoff oder Wasserdampf in den Poren des Materials eingeschlossen werden kann. Zum anderen untersuchten sie, wie das Wasser darin gebunden wird. Dafür verwendeten Attallah und seine Kollegen erstmals die Technik der Positronen-Annihilations-Lebensdauer-Spektroskopie (PALS). Bei dieser Messmethode werden Positronen genutzt, um die Größe und den Füllstand der Hohlräume in den komplexen Molekülen zu vermessen.
Mechanismus der Wasseradsorption in MOFs aufgeklärt
Die Analysen ergaben, dass sich die Hohlräume der MOFs schrittweise mit Wasser füllen. Die kleinsten Poren werden dabei zuerst gefüllt, die größten zuletzt. Dabei bilden sich an der inneren Porenoberfläche (Hafnium-MOF) oder an Inseln in der Porenmitte (Zirkonium-MOF) zunächst Cluster aus Wassermolekülen, die mit zunehmendem Wassergehalt immer größer werden. Dabei kondensiert der Wasserdampf und wird flüssig.
Ab einer bestimmten Feuchtigkeit in den Hohlräumen, die vom jeweiligen Material abhängt, brechen die Cluster auf und das flüssige Wasser verteilt sich in den Poren, bis diese komplett gefüllt sind. Durch den beschriebenen Prozess bleibt das Wasser in der Käfigstruktur gebunden. Bei dem Hafnium-haltigen MOF werden dabei kleine Luftspalten eingeschlossen, beim Zirkonium-haltigen Material hingegen nicht, wie die Forschenden berichten. Dadurch kann diese MOF-Verbindung insgesamt mehr Wasser aufnehmen.
Technik noch nicht nachhaltig einsetzbar
Damit hat das Team erstmals den Mechanismus der Wasseradsorption in den Gerüstverbindungen aufgeklärt. Die neuen Erkenntnisse könnten nun dazu beitragen, bessere Materialien für die Gewinnung von Wasser aus der Luft zu entwickeln, wie die Forschenden erklären. Vor allem in trockenen Regionen der Welt könnte dann mithilfe von neuartigen MOFs künftig mehr Trinkwasser aus der Atmosphäre gewonnen werden.
Damit die vielversprechenden MOF-Materialien effektiv und nachhaltig zur Wassergewinnung eingesetzt werden können, müssen sie aber nicht nur mehr Wasser binden, sondern auch günstiger werden. Denn bislang sind ihre Herstellung und Anwendung teuer. „Herkömmliche Syntheserouten erfordern zudem große Mengen an organischen Lösungsmitteln“, sagt Attallah. Es brauche daher außerdem neue „grüne“ Syntheseverfahren, die eine umweltfreundliche Herstellung von MOFs gewährleisten. (ACS Applied Materials & Interfaces, 2023; doi: 10.1021/acsami.3c10974)
Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf