Am schnellsten in metallischem Wasserstoff: Forscher haben erstmals die Obergrenze der Schallgeschwindigkeit ermittelt. Sie liegt demnach bei rund 36 Kilometern pro Sekunde und wird in Feststoffen mit kleinen Atomen und hoher Dichte erreicht – beispielsweise dem metallischen Wasserstoff im Jupiterkern. Errechnet haben die Wissenschaftler dies mithilfe zweier Naturkonstanten, denn messen lässt sich dieses Schallmaximum bislang nicht.
Die Lichtgeschwindigkeit kennen wir seit Albert Einstein – und dank ihm wissen wir, dass nichts schneller sein kann als sie. Doch beim Schall ist dies weniger einfach. Klar ist, dass das Ausbreitungstempo von Schallwellen entscheidend vom Medium abhängt: In der Luft pflanzt sich der Schall etwa mit 340 Metern pro Sekunde fort, je nach Temperatur, Druck und Dichte der Atmosphäre. Fliegt ein Düsenjet schneller als das, bildet sich ein Kegel aus hinterherhängenden, komprimierten Schallwellen – ein Überschallknall ist die Folge.
In Feststoffen kann der Schall jedoch weit höhere Geschwindigkeiten als in Gasen oder Flüssigkeiten erreichen. Deshalb hört man beispielsweise einen herannahenden Zug zuerst am Geräusch der Schienen, erst dann über den Luftschall. Doch wie schnell der Schall in solchen festen Materialien werden kann, war bislang unklar. Bekannt war nur, dass das Schalltempo in Festkörpern von der Dichte und den elastischen Eigenschaften abhängt, diese wiederum werden unter anderem vom Atomtyp und der Bindung beeinflusst.
Zwei Naturkonstanten als Maßgeber
Um die maximale Schallgeschwindigkeit herauszufinden, haben Kostya Trachenko von der Queen Mary University of London und seine Kollegen nun einen ungewöhnlichen Weg gewählt: Sie nutzen nur zwei Naturkonstanten, um daraus auf die schnellstmögliche Schallbewegung zu schließen. Die erste ist die Feinstrukturkonstante, die die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung angibt. Die zweite Konstante ist das Massenverhältnis von Proton und Elektron.
„Diese beiden Konstanten und die Balance zwischen ihnen prägen Kernreaktionen wie den Protonenzerfall oder die Nukleosynthese in Sternen und führen so zur Erschaffung essenzieller biochemischer Elemente wie Kohlenstoff“, erklären die Forscher. Diese Konstanten spielen zudem eine entscheidende Rolle für die Bildung von Molekülen und ganzen Planeten.
Bei 36 Kilometern pro Sekunde ist Schluss
Doch das ist nicht alles, wie nun Trachenko und sein Team demonstrieren: „Wir zeigen, dass eine einfache Kombination von Feinstrukturkonstante und Proton-Elektron-Massenverhältnis eine weitere dimensionslose Zahl ergibt, die eine unerwartete und spezifische Bedeutung für ein Schlüsselmerkmal kondensierter Materie hat – die Geschwindigkeit, mit der Schall sich durch Feststoffe und Flüssigkeiten bewegt.“ Über eine Reihe von Berechnungen leiteten die Physiker die Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Feststoffen her.
Das Ergebnis: Wahrscheinlich kann der Schall in einem Feststoff nicht schneller werden als rund 36 Kilometer pro Sekunde. Dies ist rund doppelt so schnell wie das bisher gemessene Schalltempo in Diamant. Nahekommen kann der Schall seinem Maximaltempo aber nur unter extremen Bedingungen: Bei Wasserstoff, der unter einem so hohen Druck steht, dass er zu einem festen Metall wird. Solche Bedingungen finden sich unter anderem im Kern von Gasriesen wie dem Jupiter.
Nützlich für Seismologie und Materialforschung
„Schallwellen in Festkörpern sind für viele Wissenschaftsfelder enorm wichtig“, sagt Koautor Chris Pickard von der University of Cambridge. „Seismologen nutzen beispielsweise die bei Erdbeben entstehenden Schallwellen, um die Natur der seismischen Ereignisse und die Zusammensetzung des Erdinnern zu erforschen.“ Aber auch für Materialforscher sei der Schall nützlich, weil er viel über die elastischen Eigenschaften und die Widerstandsfähigkeit der Materialien verrate.
„Wir glauben, dass die Ergebnisse unserer Studie dazu beitragen werden, auch die Obergrenzen weiterer Merkmale wie der Viskosität und der thermischen Leitfähigkeit zu finden und zu verstehen“, ergänzt Trachenko. „Das wäre hilfreich für die Erforschung der Hochtemperatur-Supraleitung, des Quark-Gluon-Plasmas und sogar der Physik der Schwarzen Löcher.“ (Science Advances, 2020; doi: 10.1126/sciadv.abc8662)
Quelle: Queen Mary University of London