Optimierte Haftung: Langsam, aber stetig klettert ein Mann an einer senkrechten Betonwand hinauf – ohne Seil oder Haken. Möglich wird dies durch eine tellergroße Vakuumeinheit, die selbst an rauen Oberflächen Halt verleiht. Eine Dichtung aus rotierendem Wasser sorgt dafür, dass das Vakuum im Inneren dieser Saugplatte erhalten bleibt. Auch Roboter oder Roboterarme können dank dieser Technik Dinge halten oder Wände hinaufgehen.
Geckos, Fliegen oder andere Kletterkünstler im Tierreich nutzen Nanostrukturen an ihren Füßen, um selbst an senkrechten Wänden oder sogar Decken zu haften. Um aber einen Menschen mit diesen Haftstrukturen an der Wand zu halten, müsste die Auflagefläche fast unseren gesamten Körper ausmachen. Anders ist dies mit optimierten Nanostruktur-Haftpads: Mit ihnen kann ein Mensch tatsächlich die Wand hinaufgehen.
Die Wand hinauf mit Vakuum?
Doch es geht auch anders: mit der Kraft des Vakuums. Schon heute werden solche Unterdruck-Haftglocken beispielsweise genutzt, damit Roboterarme in der Industrie Bauteile anheben können. Auch wandkletternde Miniroboter mit solchen Vakuum-Haftpads sind schon im Einsatz. „Dabei wird ein äußerer Dichtungsring gegen die Oberfläche gedrückt, um den Luftstrom zwischen der Vakuumzone und der Atmosphäre zu unterbinden“, erklären Kaige Shi und Xin Li von der Zhejiang Universität in Hangzhou.
Der große Nachteil jedoch: Diese Vakuum-Systeme funktionieren nur auf glatten Oberflächen wie Fensterscheiben oder Kunststoffen. Schon eine etwas rauere Betonwand oder eine Fliesenwand lassen die Vakuum-Hafteinheiten versagen, weil auf rauen Oberflächen Luft durch die Randdichtung ins Innere dringt und der Unterdruck so verloren geht.
Strömendes Wasser als Dichtung
Eine Lösung für dieses Problem könnten Shi und Li nun gefunden haben. Sie haben eine Vakuum-Hafteinheit entwickelt, die als Dichtung einen rotierenden Wasserstrom nutzt. Das Wasser wird dabei durch einen kleinen Rotor im Inneren der Mini-Vakuumkammer in Bewegung gesetzt und bildet dann von selbst eine Ringströmung am Übergang vom Vakuum zum normalen Atmosphärendruck.
Der Clou daran: Weil sich diese Wasserdichtung flexibel an den Untergrund anpassen kann, bleibt sie auch auf unebenen Untergründen dicht. Zudem gleicht der Wasserstrom die Druckunterschiede zwischen Vakuum und Außenluft in einem Gradienten aus, so dass am Außenrand der Dichtung kein Sog auftritt. Anders als bei herkömmlichen Vakuum-Haftpads bleibt dadurch der Energieverbrauch der Vakuumpumpe selbst auf rauen Oberfläche niedrig, wie die Forscher berichten.
Test mit Roboterarm, Kletterroboter und Mensch
Wie gut die neue Vakuum-Hafteinheit funktioniert, testeten Shi und Li mit drei Anwendungen: einem Roboterarm, einem Kletterroboter und einer Hafteinheit, mit der ein Mann eine Betonwand hinaufklettern sollte. Beim Roboterarm reichte eine wenige Zentimeter große, 800 Gramm leichte Einheit mit einer Zehn-Watt-Vakuumpumpe, um einen zehn Kilogramm schweren Betonblock anzuheben. Ohne die Wasserdichtung wäre ein Vielfaches an Energie und Gewicht nötig, so die Wissenschaftler.
Im zweiten Test rüsteten sie einen Kletterroboter mit den Vakuumeinheiten aus. Damit konnte der 16 Kilogramm schwere Roboter eine Nutzlast von 43 Kilogramm eine unebene Fliesenwand hinauftragen. „Es gibt viele potenzielle Anwendungen, aber wir denken, dass ein wandkletternder Roboter die nützlichste sein wird“, erklärt Li. „Verglichen mit anderen Modellen erzielt der Roboter mit unserer Hafteinheit eine überraschend bessere Performance.“
Dann folgte der „Spiderman“-Test: Ein rund 68 Kilogramm schwerer Mann nutzte zwei tellergroße Hafteinheiten, um eine Hauswand aus Beton oder Fliesen hinaufzusteigen. Und auch dies funktionierte: Die Vakuumeinheiten erzeugten mit rund 2.000 Newton genügend Saugkraft, um der Testperson selbst auf diesen rauen Oberflächen festen Halt zu geben., wie die Forscher berichten.
Limitierende Faktoren sind Wasser und Zeit – noch
Einen Haken gibt es allerdings noch: Bisher benötigen die Hafteinheiten eine externe Wasserversorgung. Roboter oder Menschen ziehen daher beim Wanderklimmen eine dünne Wasserleitung hinter sich her. „Der nächste Schritt wird es daher sein, den Wasserverbrauch zu senken“, erklärt Li. „Dann könnte das nächste Modell mit so wenig Wasser auskommen, dass der wandkletternde Roboter seinen eigenen kleinen Wasservorrat mit sich trägt.“
Eine weitere Einschränkung: Es dauert bisher noch einige Zeit, bis sich die Hafteinheiten an der Wand festgesogen haben – schnell wäre ein „Spiderman“ mit dieser Technik daher nicht. (Physics of Fluids, 2020; doi: 10.1063/1.5129958)
Quelle: American Institute of Physics (AIP)