Normalerweise gilt die Position im Windschatten eines vorfahrenden Fahrzeugs oder Radlers als optimal, weil der erste den Luftwiderstand bricht und die folgenden weniger Energie brauchen. Doch bei sich bewegenden Körpern, wie beispielsweise Vögeln im Flug kehrt sich diese Wirkung um: Hier erzeugt der erste Turbulenzen, die dem zweiten das Leben schwer machen – und den Führenden sogar begünstigen.
Lance Armstrong, der sechs Mal die Tour de France gewann, kam häufig als erster ans Ziel, weil er über große Teile der Strecke nicht das Feld anführte, sondern an zweiter oder dritter Position fuhr. Denn hier profitierte er vom Windschatten seiner Vorradler, die für ihn den Luftstrom des Fahrtwinds teilten und damit den Widerstand für ihn reduzierten. Ähnliche Vorteile nutzen beispielsweise auch Fahrer von Rennwagen bei Tourenmeisterschaften, um Sprit zu sparen.
Fähnchen im Seifenstrom
In der Natur jedoch kann eine solche Strategie zum Eigentor werden. Dann nämlich, wenn der erste einer Gruppe kein starres Objekt ist, das einen definierten Windschatten erzeugt, sondern stattdessen ein sich bewegender Körper, wie beispielsweise ein Vogel mit schlagenden Flügeln oder ein schwimmender Fisch. Was in einem solchen Falle geschieht, haben jetzt Leif Ristroph von der Cornell Universität und Jun Zhang von der New York Universität im Experiment getestet.
Die beiden Forscher nutzten zwei winzige, flatternde Fähnchen als Modell. Eines davon war vorneweg als „Windbrecher“ positioniert, das zweite bewegte sich quasi im „Windschatten“ des ersten. Anstelle der Luft ließen die Wissenschaftler die Fähnchen in einem strömenden Seifenfilm flattern. Diese Methode ermöglichte es ihnen, klare Aufnahmen der komplexen Strömungsmuster zu machen, die durch die Bewegungen der beweglichen Hindernisse entstanden.
Turbulenzen erhöhen Widerstand für den Folgenden
Das Ergebnis der Versuche war überraschend: Der Widerstand für die zweite Fahne war nicht geringer als der der ersten, sondern sogar größer. Das sich bewegende Hindernis im Strom erzeugte deutlich sichtbare Turbulenzen im Seifenfilm, die die Bewegungen der dahinter folgenden Fahne hemmten. Im Falle eines Vogelschwarms scheinen daher die hinter dem führenden fliegenden Vögel nicht nur keine Vorteile, sondern sogar Nachteile zu haben.
…und „schieben“ den Führenden
Aber nicht nur das: Im Gegensatz zum Rad- oder Autorennen profitiert bei Schwärmen sich bewegender Tiere sogar das vorneweg fliegende oder schwimmende: Zu ihrer großen Überraschung registrierten die Forscher an der vorderen Fahne eine Verringerung des Widerstands um bis zu 50 Prozent. Offenbar wirkten sich die hinter ihr entstehenden Turbulenzen auch nach vorne aus – und zwar durchaus positiv. Ähnliche Effekte beobachteten Zhang und Ristroph auch in Versuchen mit sechs Fahnen.
Nach Ansicht von Zhang ist es noch ein wenig verfrüht, aus den Experimenten zu schließen, dass die Anführer beispielsweise von Zugvogelscharen oder Fischschwärmen grundsätzlich im Vorteil sind, weil sie weniger Energie verbrauchen als die hinter ihnen folgenden. Er und seine Kollegen wollen daher in der Zukunft weitere Versuche durchführen, in denen der Widerstand quasi am lebenden Objekt, bei sich bewegenden Tieren gemessen wird. In jedem Falle aber, so Zhang, könnten die Ergebnisse schon jetzt Bedeutung für industrielle Anwendungen haben, in denen eine Optimierung des Energiebedarfs fast immer wichtig ist.
(Physical Review Letters, 04.12.2008 – NPO)