Psychologie

Zu viele Facebook-Freunde verursachen Stress

Stresshormon-Spiegel bei Jugendlichen steigt bei über 300 Freunden an

Die Jagd nach Facebook-Likes von zu vielen Freunden setzt Jugendliche offenbar unter Stress. © iStock.com

Stress im sozialen Netzwerk: Bei Jugendlichen mit mehr als 300 Facebook-Freunden steigt der Spiegel des Stresshormons Cortisol. Freunde mit Likes und Kommentaren zu unterstützen, senkt dagegen den Stress, wie Wissenschaftler aus Kanada herausgefunden haben. Die Forscher warnen, dass ein hoher Cortisol-Spiegel bei Jugendlichen später im Leben zu Depressionen führen kann. Weitere psychologische Studien seien darum nötig, um die psychologischen und physiologischen Effekte des Facebook-Verhaltens zu bewerten.

Soziale Netwerke bestimmen den Online-Alltag oder zumindest die Freizeit von Millionen Menschen weltweit, Facebook überschritt vor einer Weile sogar die Marke von einer Milliarde angemeldeter Nutzer. Wie sich dies auf unser Verhalten und unsere Gesellschaft auswirkt, wird intensiv diskutiert, und viele wissenschaftliche Studien haben sich bereits mit dem Thema befasst. So gibt es zum Beispiel Bedenken, ob wir einerseits zu viel an persönlichen Informationen preisgeben und andererseits zu stark vorgefilterte Informationen vorgesetzt bekommen.

Mehr Cortisol durch Facebook-Nutzung?

Soziale Kontakte im Online-Netzwerk beeinflussen unsere Stimmung genau wie persönliche Kontakte. Allerdings gibt es auch Unterschiede: Es klingt naheliegend, dass eine große Anzahl an Facebook-Freunden das Gefühl weckt, beliebt zu sein und daher zufrieden macht. Doch zumindest unter Jugendlichen trifft das nicht ohne weiteres zu, meinen Wissenschaftler um Sonia Lupien von der University of Montreal.

Die Forscher befragten 88 Jugendliche im Alter von zwölf bis siebzehn Jahren, wie häufig sie Facebook nutzen. Der Fragebogen erfasste auch, wie viele Freunde die Studienteilnehmer in dem sozialen Netzwerk haben, wie intensiv sie sich selbst mit Posts präsentieren und wie sehr sie auf die Posts ihrer Freunde eingehen. Außerdem maßen die Wissenschaftler an zwei nicht aufeinander folgenden Tagen viermal täglich den Spiegel des Stresshormons Cortisol bei den Jugendlichen.

Stress durch nervöses Warten auf Facebook-Likes? © University of Montreal

Grenzwert bei 300 Facebook-Freunden

Es zeigte sich: Wer besonders viele Freunde hat, steht offenbar stärker unter Stress. „Wir konnten zeigen, dass Jugendliche mit über 300 Facebook-Freunden höhere Cortisol-Spiegel haben“, sagt Studienleiterin Lupien. „Es ist vorstellbar, dass solche mit 1.000 oder 2.000 Freunden auf Facebook sogar noch höherem Stress ausgesetzt sind.“ Mit eigenen Posts die Anerkennung eines großen Freundeskreises zu gewinnen und zu erhalten, erweist sich möglicherweise als stressig.

Doch die Kontakte im sozialen Netzwerk sind nicht nur Stressauslöser: Sich intensiver mit seinen Facebook-Freunden zu beschäftigen, senkt den Cortisol-Wert wieder, wie die Forscher feststellten. Wer häufiger Likes an seine Freunde vergibt oder Nachrichten und aufmunternde Kommentare mit ihnen austauscht, ist offenbar weniger gestresst.

Die Forscher merken außerdem an, dass sicherlich nicht allein Facebook bei den Jugendlichen für Stress sorgt. Andere alltägliche Stressquellen berücksichtigten sie daher ebenfalls so gut wie möglich. „Während andere wichtige äußere Faktoren ebenfalls verantwortlich sind, schätzen wir den Einzelanteil von Facebook auf den Cortisolwert auf rund acht Prozent ein“, sagt Lupien.

Depressions-Risiko bei hohem Cortisol-Spiegel

Frühere Studien haben gezeigt, dass ein erhöhter Cortisol-Spiegel bei Jugendlichen zu Depressionen führen kann: Ein hoher morgendlicher Cortisol-Wert im Alter von 13 Jahren steigert das Depressionsrisiko mit 16 um mehr als ein Drittel. Zum Zeitpunkt der Studie litt noch keiner der Teilnehmer an Depressionen, versichert Lupien, doch die Forscher schließt deren Risiko auch nicht aus: „Heranwachsende mit hohem Stresshormonspiegel werden nicht augenblicklich depressiv, es kann auch später geschehen“, so die Wissenschaftlerin. „Einige Studien haben gezeigt, dass es bis zu elf Jahre dauern kann, bis bei Kindern mit dauerhaft hohem Cortisol-Spiegel eine Depression einsetzt.“

Lupien und Kollegen sehen ihre Studie als eine der ersten, die sich auf Facebook und dessen Effekte auf das Wohlbefinden konzentriert. „Die vorläufige Natur unserer Ergebnisse erfordert genauere Untersuchungen, wie das Facebook-Verhalten mit physiologischen Funktionen zusammenhängt“, kündigt Lupien weitere Studien an. Darin wollen die Forscher auch überprüfen, wie sehr über den Bildschirm vermittelter „virtueller Stress“ tatsächlich an die Nerven geht und neurobiologische Prozesse verändert. (Psychoneuroendocrinology, 2015; doi: 10.1016/j.psyneuen.2015.10.005)

(University of Montreal, 19.11.2015 – AKR)

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