Ein „unmöglicher“ Kristall: Forscher haben in einem 4,5 Milliarden Jahre alten Meteoriten einen zuvor unbekannten natürlichen Quasikristall entdeckt. Das Gebilde aus Metallatomen ähnelt einem zehneckigen Scheibchen-Stapel und besitzt damit eine Struktur, die für einen Kristall bisher als unmöglich galt. Dies ist erst das zweite Mal, dass ein solcher Quasikristall in der Natur entdeckt wurde, wie die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.
Normalerweise besitzen Kristalle ein symmetrisches Grundmuster – ähnlich einem aus dreidimensionalen Rauten oder Sechsecken zusammengesetzten Mosaik. Doch in einem Quasikristall ist dieses regelmäßige Schema aufgebrochen: Es wechseln sich beispielsweise fünf- und sechseckige Formen ab. „Diese Struktur sagt: Ich bin kein Kristall, aber ich bin auch nicht zufällig“, erklärt Studienleiter Paul Steinhardt von der Princeton University. Solche Strukturen werden daher als Quasikristalle bezeichnet.
Solche Quasikristalle werden heute künstlich hergestellt, sie stecken beispielsweise in der Antihaft-Beschichtung von Pfannen, in Katalysatoren oder hochfestem Stahl. In der Natur suchte man sie aber lange vergebens. Erst vor wenigen Jahren entdeckten Steinhard und seine Kollegen in einem 4,5 Milliarden Jahre alten Meteoriten aus Sibirien winzige Körnchen eines ersten natürlichen Quasikristalls. Dessen Icosahedrit getaufte Struktur basierte auf fünfeckigen Grundelementen.
Zehneckiger Scheibchen-Stapel
Jetzt haben Steinhard und seine Kollegen in einer Probe desselben Meteoriten einen weiteren Quasikristall entdeckt. Dieser ähnelt einem Stapel von zehneckigen Scheibchen – eine Struktur, die in normalen Kristallen nicht vorkommt. Er besteht zudem aus Aluminium, Nickel und Eisen und damit aus Metallen, die normalerweise so nicht in einem Kristall zusammen vorkommen. Damit erhöht sich die Zahl der bekannten natürlichen Quasikristalle nun auf zwei.
„Der Fund eines zweiten natürlich vorkommenden Quasikristalls bestätigt, dass diese Materialien in der Natur entstehen und sogar über kosmische Zeiträume hinweg stabil bleiben“, sagt Steinhardt. Und es spricht dafür, dass es noch weitere Quasikristall-Varianten in der Natur geben könnte.
Entstanden beim Meteoriten-Einschlag?
Die Forscher vermuten, dass die extremen Bedingungen beim Einschlag des Meteoriten diese Quasikristalle erzeugt haben könnten. „Wir wissen, dass dabei Temperaturen von 1.000 bis 1.200 Kelvin herrschten und ein Druck hundertausendfach höher als der atmosphärische Druck“, erklärt Steinhard. „Aber das ist nicht genug, um uns alle Details zu verraten.“ Die Wissenschaftler wollen daher nun genauer untersuchen, wie diese Quasikristalle entstanden sein könnten.
„Wir möchten wissen, ob die Bildung von Quasikristallen selten oder relativ häufig ist, wie sie geschieht und ob sie auch in anderen Sonnensystemen vorkommen könnte“, so Steinhard. „Was wir herausfinden könnte grundlegende Fragen über die Materialien beantworten, die wir in unserem Univesum finden.“ (Scientific Reports, 2015; doi: 10.1038/srep09111)
(Princeton University, 17.03.2015 – NPO)