Ertappt: Biologen haben erstmals einen Lemuren beim Nasenbohren ertappt und gefilmt. Im Video bohrt das Aye-Aye, auch Fingertier genannt, vor laufender Kamera in der Nase. Dabei verschwindet sein acht Zentimeter langer Mittelfinger in den Nasengängen und holt das Nasensekret heraus, welches das Aye-Aye schließlich ableckt. Dieser „Video-Beweis“ beschert dem Tier Zutritt zum Club der nasebohrenden Primaten, zu dem bereits zwölf Arten, darunter der Mensch, gehören.
Das Aye-Aye (Daubentonia madagascariensis) ist ein nachtaktiver Primat aus der Gruppe der Lemuren. Er lebt auf Madagaskar und zeichnet sich, wie der deutsche Name Fingertier vermuten lässt, durch seine ungewöhnlichen Finger aus. Der Mittel- und Ringfinger sind sehr dünn und lang. Bei der Nahrungssuche zieht das Tier mit ihnen Larven aus dem Holz. Doch, wie sich jetzt gezeigt hat, eignen sich die langen Finger dieses Lemuren auch ganz hervorragend zum Nasebohren.
Bis in den Rachen
Erstmals aufgefallen ist dieses Verhalten Anne-Claire Fabre, Kuratorin vom Naturhistorischen Museum Bern, als sie gerade im Duke Lemur Center in North Carolina ohnehin Aye-Ayes filmte. Den Anblick des bisher unbekannten Verhaltens beschreibt sie so: „Es war unmöglich, nicht zu bemerken, dass das Aye-Aye in der Nase bohrte. Das war nicht nur ein einmaliges Verhalten, sondern etwas, mit dem es sich voll und ganz beschäftigte, indem es seinen extrem langen Finger erstaunlich weit in die Nase steckte und dann alles, was es ausgrub, probierte, indem es seinen Finger sauber leckte.“
Um herauszufinden, wie tief genau der Finger des Aye-Aye dabei vordringt, machte das Forscherteam um Fabre eine computertomografische (CT) Aufnahme von Schädel und Hand eines Aye-Ayes. Danach rekonstruierten sie die Position des Mittelfingers in den Nasengängen. Das Ergebnis: Vermutlich reicht der Finger beim Nasebohren bis in den Rachenraum hinein.
Nasebohren bleibt rätselhaft
Das Aye-Aye ist mit dem Nasebohren allerdings nicht alleine. Wie Fabre und ihr Team berichten, ist dieses Verhalten bisher von mindestens zwölf Primatenarten bekannt, darunter Schimpansen, Gorillas, Orang-Utans und Menschen. Doch warum ist das Nasebohren unter Primaten so verbreitet? Welchen Mehrwert bringt es ihnen und uns?
Dafür gibt es bisher nur sehr wenige Ansatzpunkte. Frühere Studien legen aber nahe, dass sich durch den Konsum des eigenen Nasenschleims Bakterien nicht mehr so gut an den Zahnoberflächen festsetzen können. Das würde in der Folge Karies vorbeugen. Fabre und ihre Kollegen möchten in Zukunft mehr zu dem Thema forschen und unter anderem herausfinden, wie das Nasebohren evolutionär begonnen und wie es sich seither entwickelt hat.
(Journal of Zoology, 2022, doi: 10.1111/jzo.13034)
Quelle: Naturhistorisches Museum Bern