Mikrobiologie

Video: Pflanzen beim Zellwandbau zugeschaut

Wissenschaftler haben erstmals gefilmt, wie Pflanzen ihre Zellulose erzeugen

Das Video zeigt 24 Stunden im Zeitraffer, in denen Pflanzenzellen neue Zellwände aufbauen. © Lee Lab/ Rutgers University

„Bauprojekt“ im Zeitraffer: Forschende haben erstmals gefilmt, wie Pflanzenzellen ihre Zellulose synthetisieren und dann aus diesen Fasern ihre Zellwände aufbauen. Die mikroskopischen Live-Aufnahmen verfolgen dieses Prozess über 24 Stunden hinweg – von der Entstehung der ersten Faser bis zum komplexen, stabilen Netzwerk auf der äußeren Zelloberfläche. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse könnten zur Entwicklung robusterer, industriell und landwirtschaftlich nutzbarer Pflanzen führen, wie das Team in „Science Advances“ berichtet.

Zellulose ist das am häufigsten vorkommende Biopolymer – und für Pflanzen nahezu unverzichtbar. Es dient ihnen vor allem als wichtige Strukturkomponente für ihre Zellwände. Doch auch für uns Menschen ist Zellulose ein wichtiges Molekül: Das langkettige Kohlenhydrat kommt zum Beispiel bei der Herstellung von Papier und Kleidung zum Einsatz, dient aber auch als Verdickungsmittel in Joghurt und Eiscreme. Auch „grünes Plastik“, Flugzeugtreibstoff und Lichtleiter lassen sich aus Zellulose herstellen.

Zellwandaufbau im Detail
Einzelne Zelluloseketten (dunkelbraun) schließen sich zu einem Mikrofibrillennetz zusammen – dem Hauptgerüst der Zellwand (künstlerische Darstellung). © Ehsan Faridi/ Inmywork Studio/ Chundawat, Lee and Lam Labs

Ein mikroskopischer Livestream

Trotz ihrer großen Bedeutung ist jedoch immer noch weitgehend unklar, wie genau die pflanzliche Zellulose eigentlich entsteht und wie aus ihr die Zellwände von Pflanzenzellen gebildet werden. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, haben Forschende um Hyun Huh von der Rutgers University in New Jersey nun erstmals Live-Bilder aufgenommen, die diese mikroskopischen Prozesse über 24 Stunden hinweg zeigen.

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Dafür musste das Team auf eine spezielle Form der Fluoreszenzmikroskopie zurückgreifen, bei der ausschließlich Bilder von der Unterseite der Zellen aufgenommen werden. Nur diese Technik war empfindlich genug, um 24 Stunden lang Videos aufzunehmen, ohne die Zellen dabei auszubleichen oder zu zerstören. Bei den „Filmstars“ handelte es sich um Zellen aus Blättern der Acker-Schmalwand (Arabidopsis), denen man zuvor die Zellwände entfernt hatte, um deren Wiederaufbau beobachten zu können.

„Seit der ersten mikroskopischen Beobachtung von Zellwänden durch Robert Hooke im Jahr 1667 ist dies die erste direkte Visualisierung der Synthese und Selbstorganisation von Zellulose zu einem dichten Fibrillennetzwerk auf der Oberfläche einer Pflanzenzelle“, betont Seniorautor Sang-Hyuk Lee.

Zellwandaufbau im Detail
Künstlerische Darstellung des Mikrofibrillennetzes © Ehsan Faridi/ Inmywork Studio/ Chundawat, Lee and Lam Labs

In vier Phasen vom Chaos zur Ordnung

Die mikroskopisch erzeugten Videobilder zeigen, wie die zellwandlosen Protoplasten zunächst chaotisch Fäden aus Zellulosefasern bilden, die sich dann allmählich zu einem komplexen Netzwerk auf der äußeren Zelloberfläche zusammenfügen. „Ich war sehr überrascht von der Entstehung geordneter Strukturen aus dem chaotischen Tanz der Moleküle, als ich diese Videobilder zum ersten Mal sah“, sagt Lee. „Ich dachte, pflanzliche Zellulose würde viel geordneter entstehen – so, wie es in klassischen Biologie-Lehrbüchern dargestellt wird.“

Diesen chaotischen Zellwandbau konnten die Forschenden in insgesamt vier unterschiedliche Phasen unterteilen. In Phase eins entstehen demnach die ersten Zellulosefibrillen in Form kurzer Fragmente, die dann an der Oberfläche der Zellmembran abgelagert werden. Dort treffen sie in Phase zwei aufeinander und verschmelzen zu dickeren und längeren Fibrillen. Es entsteht eine Art Proto-Netzwerk mit grober Maschenweite. In Phase drei wird dieses Netzwerk dann dichter und in Phase vier erreicht es seine finale, stabile Form, wie Huh und seine Kollegen berichten.

Entwicklung robusterer Pflanzen im Blick

Damit ist das Bild davon, wie Zellwände entstehen, nun klarer als je zuvor. Gleichzeitig könnte sich das gewonnene Wissen aber auch industriell nutzen lassen. „Die aus diesen Studien gewonnenen Erkenntnisse werden neue Anhaltspunkte für die Entwicklung besserer Pflanzen zur Kohlenstoffbindung, zur Verbesserung der Toleranz gegenüber allen Arten von Umweltbelastungen, von Trockenheit bis hin zu Krankheiten, und zur Optimierung der Produktion von Zellulose-Biokraftstoffen der zweiten Generation liefern“, erklärt Koautor Eric Lam. (Science Advances, 2025; doi: 10.1126/sciadv.ads6312)

Quelle: Rutgers University

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