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Neurobiologie

Video: So sehen Tiere die Welt

Neues Kamerasystem fängt tierische Farbensicht als Video ein

Mit einer speziellen Kamera lässt sich die Welt nun auch in Videoform aus der Sicht der Tiere betrachten. © New Scientist

Tierische Weltsicht: Wissenschaftler haben ein Videokamerasystem entwickelt, mit dem sich die Welt durch die Augen verschiedener Tiere sehen lässt. Denn diese, darunter Bienen und Vögel, sehen oft andere Farben und Wellenbereiche der Strahlung als wir. Bislang war der Blick durch ihre Augen nur mit Fotos, aber nicht mit Videos möglich. Die neue Technologie könnte nun ermöglichen, das Verhalten von Tieren und ihre Kommunikation untereinander auf eine ganz neue Weise zu erforschen.

Jedes Tier sieht die Welt in anderen Farben. Das liegt daran, dass jede Spezies einen einzigartigen Satz von Photorezeptoren in der Netzhaut trägt, die sogenannten Zapfen. Die verschiedenen Arten von Zapfen reagieren jeweils auf unterschiedliche Wellenlängen des Lichts und somit auf unterschiedliche Farben. Wir Menschen besitzen zum Beispiel drei verschiedene Zapfentypen, die uns Grün, Blau, Rot sowie Millionen dazwischenliegende Farbtöne sehen lassen.

Hunde und Katzen wiederum können nicht zwischen Rot und Grün unterscheiden. Und viele andere Tiere, darunter Vögel, Fledermäuse und Rentiere, können zusätzlich zu den für uns Menschen sichtbaren Farben auch ultraviolettes Licht wahrnehmen.

Ein tierischer Blick auf die Welt

In welchen Farben ein Tier die Welt sieht, hängt eng mit seiner Lebensweise zusammen. So hilft die UV-Sicht von Rentieren ihnen im Winter zum Beispiel dabei, ihre Lieblingsflechten im Schnee zu finden, und der Monarchfalter nutzt ultraviolettes Licht zur Navigation auf seinen langen Wanderungen. Wenn man das Verhalten und die Lebensweise von Tieren komplett verstehen möchte, muss man somit auch die Welt aus ihrer Perspektive betrachten.

Bislang ging das nur, indem man Fotos mit einer speziellen Software umkoloriert und so die tierische Wahrnehmung für menschliche Augen sichtbar macht. Allerdings ist dieser Prozess sehr arbeits- und zeitaufwendig und ermöglicht außerdem keine dynamischen Einblicke in das Verhalten der Tiere. Forschende um Vera Vasas von der Queen Mary University of London haben daher nun ein spezielles Kamera- und Softwaresystem entwickelt, mit dem sich die Tierperspektive erstmals direkt als Bewegtbild verfolgen lässt.

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Zwei Kameras als Tieraugen

„Die erste Herausforderung bestand darin, eine Kamera zu entwickeln, die gleichzeitig in ultraviolettem und sichtbarem Licht aufnimmt. Die Lösung war ein Strahlteiler. Dieses spezielle optische Gerät reflektiert ultraviolettes Licht wie ein Spiegel, lässt aber sichtbares Licht wie klares Glas hindurch“, erklären Vasas und Seniorautor Daniel Hanley von der George Mason University in Virginia in „The Conversation“.

Im Anschluss positionierten die Forschenden eine auf diese Weise modifizierte und eine handelsübliche Kamera in einem 3D-gedruckten Gehäuse. Dadurch konnten sie nun gleichzeitig Videos auf vier Farbkanälen aufzeichnen, die den verschiedenen Zapfentypen entsprechen: blau, grün, rot und ultraviolett. Ist bekannt, wie die Photorezeptoren einer Tierart aufgebaut sind, lassen sich die aufgenommenen Videos per Dateneingabe in einer Software schließlich so justieren, dass sie der Weltsicht dieses Tieres entsprechen.

Schmetterlinge
Schmetterlinge und Blüten aus Insektensicht © Daniel Hanley /CC-by 4.0

„Es gibt so viele Möglichkeiten“

Ein Test, in dem Vasas und ihr Team die Technologie mit herkömmlichen Methoden verglichen, attestierte dem neuen Videosystem eine Genauigkeit von über 92 Prozent. Bislang haben die Forschenden die Tiersicht-Kamera unter anderem bereits benutzt, um die Welt aus den Augen eines Hundes, einer Biene und eines Vogels zu betrachten. Bei Letzterem erschien der Himmel zum Beispiel nicht mehr blau, sondern violett. Das bei diesen Tests entstandene Bildmaterial ist im obigen Video zu sehen.

Die Software und Bauanleitung für die Kamera sind frei im Internet verfügbar, sodass jeder sie zukünftig für seine eigene Forschung und Filmprojekte einsetzen kann. „Unser Ziel ist es, dass andere Forscher ihre eigenen Kameras bauen und sie nutzen, um ihre eigenen Fragen darüber zu beantworten, wie andere Arten die Welt sehen. Es gibt so viele Möglichkeiten“, so Vasas und Hanley.

Die beiden Forschenden könnten sich zum Beispiel vorstellen, mit der Kamera den Tanz eines Pfaus aufzuzeichnen und so zu sehen, wie schillernd sein Gefieder auf Weibchen wirken muss. Oder wie Raupen Fressfeinde mit speziellen Farbenmustern abschrecken. (PLoS Biology, 2024; doi: 10.1371/journal.pbio.3002444)

Quelle: PLOS, The Conversation

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