Wie Fliegen fliegen: Die Flugmechanik von Insekten ist unendlich komplexer als die von Vögeln oder Fledermäusen – und erst in Teilen geklärt. Jetzt ist es US-Forschern gelungen, die anatomisch-mechanischen Hintergründe der Flugmanöver von Fruchtfliegen aufzuklären. Sie enthüllen, wie die Flügelgelenke der Insekten die Bewegungen ihrer Thoraxmuskeln in Flügelbewegungen „übersetzen“. Dies verhalf auch einer Roboterfliege zu neuen Flugkünsten.
Der menschliche Traum vom Fliegen reicht bis in die griechische Mythologie zurück, in der sich Ikarus und Daidalos mit selbstgebauten Flügeln wie Vögel in die Luft erheben wollten. Der Versuch der beiden endete bekannterweise tragisch. Andere Geschöpfe haben es da wesentlich leichter als der Homo sapiens: Vögel, Schmetterlinge und Fledermäuse können sich dank ihrer Flügel beinahe mühelos vom Boden lösen. Die Flugbewegung von Adlern oder Spatzen ist gut bekannt, denn ihre Flügel funktionieren wie unsere Arme, weil sie auf dieselben anatomischen Strukturen zurückgehen.
Hochkomplexes Fluggelenk
Anders verhält es sich bei Insekten, bei denen die Flügelbewegung nicht direkt, sondern indirekt durch die Tätigkeit der Rumpfmuskulatur angetrieben wird. Zentrale Komponente des Flugapparats der Schmetterlinge, Bienen und Insekten bildet ein einzigartiges hochkomplexes Gelenk, das den Flügel mit dem Körper verbindet. „Das Gelenk übersetzt winzige, hochfrequente Schwingungen spezialisierter ‚Kraftmuskeln‘ in die schwungvolle Hin- und Herbewegung der Flügel“, erläutern Johan Melis vom California Institute of Technology und seine Kollegen.
„Das Gelenk besteht aus einem System von winzigen, gehärteten Strukturen, den Skleriten, die miteinander verbunden sind und die durch die Aktivität von spezialisierten ‚Kontrollmuskeln‘ reguliert werden“, so die Forscher. Um dieses hochkomplexe System genauer zu verstehen, erstellten sie über 72.000 Highspeed-Aufnahmen von Fruchtfliegen bei unterschiedlichen Flugmanövern. Außerdem sorgten sie durch genetische Manipulation der winzigen Insekten dafür, dass diejenigen Skelettmuskeln, welche sich während eines bestimmten Flugmanövers zusammenzogen, gleichzeitig auch aufleuchteten. So erhielten sie Einblicke in die Frage, welcher individuelle Skleritmuskel die entsprechende Flügelbewegung steuert.
Präzises Modell der Flugbewegungen
Um ihr „Flügelschlag-Modell“ zu validieren, bauten die Wissenschaftler daraufhin eine Roboter-Fliege, die die zuvor nur simulierten Bewegungen mechanisch ausführte. Wie sich zeigte, bildet das Modell der Wissenschaftler das reale Flugverhalten von Fruchtfliegen gut ab. Auf Basis dieser Erkenntnisse erstellten sie eine digitale Simulation, die alle bekannten Fruchtfliegen-Flugmanöver und ihre mechanischen Hintergründe im Detail wiedergibt.
„Der multidisziplinäre Ansatz erklärt die mechanische Steuerungslogik von Insektenflügelgelenken, welche zu den wohl ausgeklügeltesten und evolutionär wichtigsten Skelettstrukturen der natürlichen Welt gehören“, fassen die Forschenden zusammen. „Diese Analyse des Flügelgelenks könnte außerdem biomechanische Innovationen ermöglichen, die auf der Evolution des Insektenflugs basieren.“ (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07293-4)
Quelle: Nature