Obwohl Fledermäuse sich vor allem auf ihre Echo-Ortung verlassen, können sie nicht nur Farben sehen, sie haben auch Lichtsinneszellen für UV-Licht. Das haben jetzt neue Analysen ihrer Sehpigmente gezeigt. Die Zapfen erleichtern den Fledermäusen während der Dämmerung die Orientierung und die frühzeitige Erkennung von Raubvögeln. Von besonderem Vorteil sind die UV-empfindlichen Zapfen auch bei der Suche nach UV-reflektierenden Blüten.
Lange Zeit sind Wissenschaftler aufgrund von Gewebeuntersuchungen davon ausgegangen, dass die Netzhaut im Auge von Fledermäusen lediglich helligkeitsempfindliche Stäbchen enthält. Diese sind auch beim Menschen für das scharfe Sehen bei wenig Licht zuständig, können aber keine Farben unterscheiden. Doch vor kurzem ergaben Genanalysen, dass diese nachtaktiven Tiere auch Gene zur Bildung zweier Zapfen-Sehpigmente besitzen. Diese Pigmente reagieren je nach Typ auf unterschiedliche Wellenlängen des Lichts und ermöglichen so das Farbensehen.
Antikörper markieren spezifische Sehpigmente
Aber werden diese Gene auch tatsächlich aktiviert und genutzt? Und für welche Lichtwellenlängen sind sie angepasst? Um das herauszufinden, analysierten Brigitte Müller und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt am Main die Sehzellen-Ausstattung zweier in Mittel- und Südamerika beheimateten Blüten besuchenden Fledermausarten, der Langzungenfledermaus Glossophaga soricina und der Brillenblattnase Carollia perspicillata. Zur Identifizierung der verschiedenen Sehzellen verwendeten die Forscher die Methode der Antikörper-Färbung. Damit können die Sehpigmente in den Sehzellen sichtbar gemacht werden.
Zapfenpigmente für UV und gelbgrün
Neben der erwarteten hohen Stäbchendichte – Voraussetzung für das Sehen bei Nacht – fanden die Wissenschaftler auch Zapfen, die zwei bis vier Prozent der Sehsinneszellen ausmachten. „Dieser Anteil erscheint gering, aber aus Studien an anderen dämmerungsaktiven Tieren wie zum Beispiel Mäusen oder Katzen wissen wir, dass er ausreicht, um die Tiere auch bei Tageslicht sehen zu lassen“, erklärt Müller.
Darüber hinaus zeigte die Untersuchung, dass die Fledermäuse Zapfen mit zwei unterschiedlichen Sehpigmenten besitzen: die so genannten S-Zapfen mit hoher Empfindlichkeit für kurzwelliges, ultraviolettes Licht und L-Zapfen für langwelliges, gelbgrünes Licht. Zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Oldenburg gelang durch elektroretinographische Messungen (ERG) auch der Nachweis, dass UV-Licht die Zapfen tatsächlich besonders stark erregt.
Fledermausaugen sind farbtüchtig
Für die Forscher ist damit klar, dass die erhöhte UV-Empfindlichkeit der untersuchten Tiere auf die Zapfen in der Netzhaut zurückzuführen ist. Zumal UV-Licht die Hornhaut und Linse des Fledermausauges durchdringen kann und bis zur Netzhaut gelangt. „Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass Blattnasen-Fledermäuse UV-Licht wahrnehmen können. Außerdem sind sie mit ihren zwei Zapfentypen prinzipiell in der Lage, Farben zu unterscheiden“, erklärt Müller.
Obwohl Fledermäuse kleine Augen haben, besitzen sie im Gehirn gut ausgebildete Sehzentren. Auch deshalb sind die Wissenschaftler überzeugt, dass der Sehsinn für die Tiere lebenswichtig ist. Denn nicht alle Fledermausarten leben ausschließlich in Dunkelheit – je nach Nistplatz können sie tagsüber auch einer hellen Umgebung ausgesetzt sein.
Vorteil bei Orientierung und Blütensuche
Fledermäuse benutzen zur Orientierung im Nahbereich in erster Linie ihr ausgezeichnetes Echoortungssystem. Die Tiere können so Hindernisse oder Beutetiere wahrnehmen und umfliegen bzw. ansteuern. Für Entfernungen ab zehn Metern wird die Echoortung allerdings ungenau, da die akustische Umgebung zu komplex wird und zu viele Störgeräusche auftreten. Der Sehsinn erleichtert somit die frühzeitige Erkennung von Feinden, die Nahrungssuche und die Orientierung auf längeren Flugstrecken. Für Blüten besuchende Fledermäuse wie die hier untersuchten sollte das UV-Sehen zudem den Erfolg bei der Futtersuche steigern, da viele der von Fledermäusen besuchten Blüten UV-Licht besonders stark reflektieren.
(Max-Planck-Gesellschaft, 31.07.2009 – NPO)