Zwei Titanen, die sich einen blutigen Kampf liefern – dieses Bild beherrscht unsere Vorstellung vom Jagdverhalten von Tyrannosaurus und Co. Doch die versteinerten Überreste der Raubsaurier zeichnen ein anderes Bild, wie Forscher jetzt berichten: Die großen Fleischfresser machten vor allem Jagd auf Jungtiere. Die Erfolgsrate war höher, das Risiko gering und zudem lieferten die zarten Knoche wertvolle Mineralien.
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Ob es sich nun um einen gewaltigen Tyrannosaurus rex handelt, der einen ebenso großen Hornsaurier erlegt, oder um ein Rudel Allosaurier, das einen gigantischen Langhalssaurier zur Strecke bringt: Raubsaurier auf der Jagd werden meist als Titanen dargestellt, die auch den Kampf mit wehrhaften Beutetieren nicht scheuen. Wie gefährlich ihnen dabei etwa die Hörner eines Triceratops oder die Schwanzkeule eines Ankylosaurier werden konnten, lässt sich zum Teil noch heute an Fossilienfunden ablesen, in denen schwere Verletzungen dokumentiert sind.
Erwachsene Beute nur im Ausnahmefall
Dennoch lassen diese Versteinerungen nicht unbedingt darauf schließen, dass es sich bei Tieren wie den Tyrannosauriern um perfekte „Mordmaschinen“ handelte, die aufgrund ihrer gewaltigen Beißkraft nahezu jedes Beutetier überwältigen konnten. „Wir vermuten sogar, dass die großen Raubsaurier nur im Ausnahmefall andere große Dinosaurier gejagt haben“, erklärt Oliver Rauhut, der am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der Universität München und in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie tätig ist. „Denn die sehr wenigen fossilen Beweise von Angriffen auf ausgewachsene Tiere zeugen alle von Misserfolgen: Entweder entkam die Beute oder beide Tiere wurden getötet.“
Meist Jungtiere im Magen
Dagegen zeigen die – allerdings extrem seltenen – Nachweise von Mahlzeiten der Raubsaurier, also etwa Mageninhalte und versteinerter Kot, dass Jungtiere gefressen und deutlich kleinere Tiere sogar vollständig verschluckt wurden. Rauhut und Hone, der mittlerweile am chinesischen Institut für Wirbeltierpaläontologie und Paläoanthropologie in Peking arbeitet, schließen daraus, dass wohl in erster Linie Jungtiere auf dem Menü standen.
„Tatsächlich gehen wir davon aus, dass die großen Theropoden wie Tyrannosaurus rex als Babykiller unterwegs waren“, so Rauhut. Ein ähnliches Verhalten lässt sich auch bei heutigen Raubtieren beobachten, die hauptsächlich kranke und alte Tiere oder eben unerfahrene Jungtiere angreifen. „Bei dieser Beute trägt der Räuber nur ein geringes Risiko, sich zu verletzen“, sagt Hone. „Bei den
Raubsauriern wird die Strategie dieselbe gewesen sein.“
Abgesehen von ihrer relativen Harmlosigkeit bringt die zarte Beute aber noch einen weiteren Vorteil, wie sich bei den nächsten heute lebenden Verwandten der Raubsaurier beobachten lässt: Krokodile verfügen über Magensäfte, die auch Knochen praktisch ohne Rückstände auflösen können – was wichtige Mineralien für den Stoffwechsel des Räubers freisetzt.
Viele Eier, wenige Aufzuchten
Auch ein bislang ungeklärtes Phänomen könnte darauf beruhen, dass die großen Fleischfresser bevorzugt Jungtiere jagten: Versteinerte Dinosauriernester lassen darauf schließen, dass die Tiere viele Eier gelegt haben. Im Fossilbericht hat sich der zahlreiche Nachwuchs aber nicht niedergeschlagen –
möglicherweise weil ein Großteil der Jungtiere den großen Raubsaurieren zum Opfer fiel.
„Es gibt auch noch andere Hinweise, die unsere Hypothese stützen“, berichtet Rauhut. „Insgesamt aber sind die Fossilfunde leider noch zu dürftig. Wir hoffen jetzt auf neue Entdeckungen, die uns weitere Hinweise zum Jagdverhalten der Theropoden liefern.“
(Universität München, 06.08.2009 – NPO)