Erst vor wenigen Wochen hatten Raumsonden einen dünnen temporären Wasserfilm auf der Mondoberfläche nachgewiesen. Jetzt liefert die Mondsonde Chandrayaan-1 eine mögliche Erklärung für die Entstehung dieses Wasser: Demnach reagieren Protonen aus dem Sonnenwind mit dem im Regolith gebundenen Sauerstoff zu Wasser. Ein Teil der Protonen aber wird reflektiert und schießt als Wasserstoff ins All – und diese „Molekülstrahlen“ dienen nun als Basis für ein völlig neues Bildgebungsverfahren.
Es gibt Wasser auf dem Mond, das hatten vor nicht allzu langer Zeit gleich drei Sonden belegt. Der „Moon Mineralogy Mapper” (M3) an Bord der indischen Mondsonde Chandrayaan-1 hatte sowohl die Signatur von Wasser als auch von Hydroxyl, einer Verbindung aus einem Sauerstoff- und einem Wasserstoffatom, an der Mondoberfläche nachgewiesen. Die Sonde Deep Impact zeigte parallel dazu, dass ein dünner Wasserfilm morgens zu entstehen scheint und dann wieder verschwindet.
Regolith saugt Sonnenwind auf wie ein Schwamm
Jetzt hat ein weiteres Instrument an Bord der Mondsonde Chandrayaan-1 Erkenntnisse zu diesem rätselhaften Tagesgang des Wassers geliefert, die jetzt in der Fachzeitschrift „Planetary and Space Science“ erschienen sind: Das von der ESA entwickelte Gerät „SARA“ (Sub keV Atom Reflecting Analyser) untersucht die Zusammensetzung der Teilchen, die vom Sonnenwind aus der Mondoberfläche herausgeschleudert werden. Der Regolith, die unregelmäßig geformten Staubkörner der Mondoberfläche, scheint demnach die geladenen Teilchen aufzusaugen wie einen Schwamm.
Neueste Auswertungen von Forschern der Europäischen Weltraumagentur ESA zeigen nun, dass die einfallenden Teilchen von den Lücken zwischen den Regolith-Körnchen eingefangen und absorbiert werden. Dort reagieren die Protonen aus dem Sonnenwind mit Sauerstoff, der in den Mineralien des Regoliths enthalten ist. Es entstehen Hydroxyle und Wasser. Im Laufe des Mondtages allerdings verdampft dieses Wasser schnell wieder, es hält sich nur kurze Zeit am frühen Morgen, wenn zwar Sonnenwind einfällt, das Sonnenlicht aber noch nicht stark genug ist, um die Verdunstung in Gang zu setzen.
Reflektierte Protonen erzeugen Wasserstoff-Ausstrahlung
Das Rätsel des „Tagesgangs“ wäre damit im Prinzip gelöst. Doch dafür hat sich gleich ein neues ergeben: Denn längst nicht jedes Proton des Sonnenwinds wird auch absorbiert. Ungefähr jedes Fünfte wird zurück ins Weltall reflektiert. Auf dem Weg verbindet es sich mit einem Elektron und wird zu atomarem Wasserstoff.
„Wirt haben absolut nicht erwartet, das zu sehen“, erklärt Stas Barabash vom schwedischen Institut für Weltraumphysik, wissenschaftlicher Leiter am SARA-Instrument. Noch wissen die Forscher nicht, wodurch diese Reflexion ausgelöst wird, aber klar ist, dass der Wasserstoff mit Geschwindigkeiten von rund 200 Kilometern pro Stunde in All hinaus rast ohne von der schwachen Schwerkraft des Mondes aufgehalten zu werden.
„Wasserstoffbilder“ als neues Forschungswerkzeug
Diese Erkenntnis eröffnet nicht nur einen neuen Blick auf die Entstehung von Wasserstoff im Weltraum, sie eröffnet auch neue Möglichkeiten der Bildgebung: Weil die reflektierten Wasserstoffmoleküle – im Gegensatz zu den Protonen des Sonnenwinds – elektrisch neutral sind, werden sie nicht von Planetaren oder anderen Magnetfeldern abgelenkt. Im Prinzip lässt sich ihre Flugbahn daher als gerade Linie bis an ihren Ursprungsort verfolgen und dort als heller Punkt abbilden. Stellen, an denen am meisten Wasserstoff erzeugt wird, erscheinen in einem solchen Bild dann besonders hell.
Mit Hilfe solcher „Wasserstoffbilder“ könnten sich in Zukunft beispielsweise auch Stellen auf dem Mond oder anderen atmosphärelosen Himmelskörpern ausmachen, an denen lokale Magnetfelder den Sonnenwind ablenken und so die Reflektion und Entstehung von Wasserstoff verhindern. Diese Bereiche würden dann besonders dunkel erscheinen.
Relevant ist dieses Wissen beispielsweise für die kommende BepiColombo-Mission er ESA zum Merkur. Da die Sonde zwei SARA-ähnliche Instrumente an Bord haben wird, könnte sie auch für die Oberfläche des sonnennächsten Planeten diese Art der Wasserstoffbilanz ermitteln. Nach Ansicht der Forscher wäre dabei sogar eine sehr viel reichhaltigere „Ernte“ zu erwarten, dass der Merkur deutlich mehr Sonnenwind abbekommt als der Mond.
(European Space Agency, 16.10.2009 – NPO)