Wie gut wir uns in andere Menschen einfühlen können, ist auch genetisch bestimmt: Wissenschaftler haben Genvarianten für einen Rezeptor des Botenstoffs Oxytocin entdeckt, die die Empathie-Fähigkeit eines Menschen beeinflussen. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) veröffentlichte Studie enthüllte zudem, dass diese Genvariation auch die Stressresistenz erhöht.
Oxytocin wird gerne auch als das „Kuschelhormon” bezeichnet. Denn der im Hypothalamus produzierte Botenstoff steht in enger Verbindung zu sozialer Bindung und der Reduktion von Stress. So löst Oxytocin bei der Geburt die Wehen aus und stimuliert die Drüsenzellen der Brust, die die Muttermilch erzeugen. In der Paarbeziehung wird Oxytocin sowohl beim Streicheln oder Kuscheln, als auch beim Orgasmus freigesetzt. Es gilt als fördernd für die Paarbindung und als „Treuehormon“. Doch offensichtlich spielt das Hormon beziehungsweise sein Rezeptor auch bei der Erkennung von Gefühlszuständen bei anderen Menschen eine wichtige Rolle. Das zumindest belegen Untersuchungen, die zwei amerikanische Forscherinnen jetzt durchgeführt haben.
Drei Genkombinationen beim Oxytocin-Rezeptor
Sarina Rodrigues, Assistenzprofessorin für Psychologie an der Oregon State Universität und Laura Saslow, Doktorandin der Universität von Kalifornien in Berkeley, führten eine Studie an 200 Studenten beider Geschlechter und unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeiten durch, in denen sie einerseits deren Fähigkeit der Empathie in verschiedenen Tests untersuchten, und andererseits feststellten, welchen Typ von Oxytocin-Rezeptor die Probanden besaßen.
Denn beim Menschen kommt ein Gen für den Oxytocinrezeptor in zwei Varianten vor, als „A“ oder „G“-Form. Da jeder Mensch ein Kopie des Gens von jeweils einem Elternteil erhält, existieren drei verschiedenen Kombinationen in der Bevölkerung: AA, AG und GG. In den Tests zeigte sich, dass sich Versuchspersonen der GG-Gruppe signifikant sowohl im Stressverhalten als auch in der Empathiefähigkeit von denen mit AA oder AG-Kombination unterschieden.
Besseres Einfühlungsvermögen bei Menschen mit„GG“-Genvariante
So schnitten Personen mit dem GG-Allel in klassischen Empathietests wie dem „Das Gefühl an den Augen ablesen“ im Durchschnitt besser ab. Bei diesem vom britischen Psychologen und Autismusforscher Simon Baron-Cohen entwickelten Test müssen die Probanden in Portraitbildern von Menschen in verschiedenen emotionalen Zuständen deren Gefühlslage einschätzen.
„Im Allgemeinen schneiden Frauen bei diesem Test besser ab als Männer“, erklärt Rodrigues. „Aber wir fanden in beiden Geschlechtern extreme Unterschiede basierend auf der genetischen Variation.“ Die Versuchsteilnehmer mit der GG-Variante des Rezeptorgens hatten eine 22,7 Prozent geringere Häufigkeit falscher Antwort als die restlichen Probanden.
Stressresistenz ebenfalls höher
Ähnlich sah es auch in den Stresstests aus, bei denen die Teilnehmer Aufgaben lösen mussten während sie über Kopfhörer mit „weißem Rauschen“ in hoher Lautstärke bombardiert wurden, nachdem zuvor ein Countdown auf einem Bildschirm ablief. Die Wissenschaftler registrierten dabei unter anderem die Rate des Herzschlags als Maß für den Stress. Dabei zeigte sich, dass zwar Frauen insgesamt etwas sensibler gegenüber Stress reagierten, aber wieder stach die „GG-Gruppe“ aus den anderen Personen heraus. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern stieg der Puls unter Stress deutlich weniger stark an.
„Unsere Daten bestätigen die Annahme, dass diese genetische Variation des Oxytocin-Rezeptors emotionale Verarbeitung und das anderen zugewandte Verhalten beeinflusst“, so Rodrigues. Doch die Forscherin warnt davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Denn diese für Gruppen festgestellten Trends ließen sich nicht einfach auf Individuen übertragen. Es gebe viele Menschen mit AA- oder AG-Genvarianten, die trotzdem empathisch und fürsorglich seien.
„Ich habe mich selbst getestet“, so Rodrigues. „Und obwohl ich nicht zur GG-Gruppe gehöre, möchte ich schon gerne denken, dass ich eine sehr fürsorgliche Person mit Empathie für andere bin. Diese Ergebnisse können aber dazu beitragen uns verstehen zu lassen, dass einige von uns mit einer Tendenz dazu geboren werden, empathischer und stressresistenter zu sein als andere.“ Sie sieht dies eher als Ansporn, sich derer anzunehmen, die sozial zurückgezogener sind. „Denn Empathie tut allen gut.“
(Oregon State University, 19.11.2009 – NPO)