Eine erste Wetterkarte des größten Sturms im Sonnensystem – dem Großen Roten Fleck auf dem Jupiter – haben jetzt Astronomen mit Hilfe von Infrarotbildern verschiedener Teleskope erstellt. Sie enthüllen eine komplexe innere Struktur mit Wirbeln warmer Gase und kälteren Regionen. Erstmals werden so auch die Zusammenhänge von Temperatur, Wind, Druck und chemischer Zusammensetzung mit der Farbe des Flecks deutlich.
Der Große Rote Fleck ist seit hunderten von Jahren bekannt, und seit dem 19. Jahrhundert haben die Astronomen kontinuierlich verfolgt, wie er sich weiterentwickelt. Der Fleck – mit seinen -160 Grad Celsius ein Kaltgebiet der Jupiteratmosphäre – nimmt auf der Jupiteroberfläche eine Fläche ein, in der sich bequem drei Erden nebeneinander platzieren ließen. Wie es aber im Inneren dieses Sturms aussah, das war bisher unbekannt. Jetzt hat ein Forscherteam unter anderem von der Europäischen Südsternwarte ESO neue Daten gesammelt, die erstmals einen Einblick in den Roten Fleck geben.
Wärmebilder enthüllen Temperaturen und chemische Komposition
Entscheidend für die neuen Einblicke waren Daten des „VLT Imager and Spectrometer for mid Infrared“ (VISIR), der am Very Large Telescope der ESO montiert ist. VISIR ist ein komplexes Instrument mit verschiedenen Betriebsmodi, das Objekte in den „Infrarotfenstern“ rund um 10 und 20 Mikron beobachten kann, für die die Erdatmosphäre für Infrarotstrahlung vergleichsweise durchlässig ist. Diese Wärmebilder erlauben es, sowohl Rückschlüsse auf die TEMperaturverteilung im Sturm zu ziehen, als auch auf die chemische Zusammensetzung der Sturmwolken. Weitere Daten lieferten das Teleskop Gemini-Süd in Chile und das Subaru- Teleskop der Japanischen Nationalsternwarte.
Die Bilder sind unübertroffen detailscharf und ergänzen die Aufnahmen, die in den späten 1990er Jahren mit der NASA-Raumsonde Galilei gewonnen wurden. Zusammen mit Beobachtungen tieferliegender Wolken mit dem 3-Meter- Teleskop der Infrared Telescope Facility der NASA auf Hawaii erreichen die Infrarotbilder der Großteleskope damit erstmals einen vergleichbaren Detailreichtum wie Aufnahmen des NASA/ESA-Weltraumteleskops Hubble im Bereich des sichtbaren Lichts. Die Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Icarus veröffentlicht.
Komplexe Gasbewegungen
„Dies ist der erste Blick ins Innere des größten Sturms im Sonnensystem“, sagt Glenn Orton, der Leiter des Forscherteams, das die Beobachtungen durchführte. „Früher dachten wir, der Große Rote Fleck wäre ein Oval ohne großartige innere Struktur. Die neuen Ergebnisse zeigen, dass es sich im Gegenteil um ein höchst komplexes Gebilde handelt.“ Die Wissenschaftler können sich mit den neu gewonnenen Daten erstmals ein Bild von den großräumigen Gasbewegungen im bekanntesten Sturmsystem des Sonnensystems machen.
Dank der neuen Daten konnten die Astronomen die Temperatur sowie die Verteilung von Aerosolen und Ammoniak im und rund um das Sturmgebiet kartieren. Das liefert wichtige Informationen darüber, wie sich das Wetter und die Gasbewegungen im Inneren des Sturmes räumlich und mit der Zeit ändern. Die jahrelangen Beobachtungen mit VISIR und den anderen Teleskopen zeigen einen Sturm, der überraschend stabil ist – trotz der turbulenten Gasbewegungen und trotz Wechselwirkungen weiterer, kleiner Wirbelstürme mit den Randregionen des Großen Roten Flecks.
Zentralregion dreht anders herum
Die neue „Wetterkarte“ des Sturms zeigt, dass diejenigen Gebiete des Großen Roten Flecks, die eine besonders intensive rötliche Färbung aufweisen, einer warmen Kernregion in einem ansonsten kalten Wirbelsturm entsprechen. Außerdem sind auf den Bildern dunkle Streifen in den Randgebieten des Sturms sichtbar, bei denen es sich um Gase handelt, die in tieferliegende Regionen der Planetenatmosphäre absinken.
„Eines der spannendsten Ergebnisse ist, dass die Zentralregion des Flecks, die eine besonders intensive rot-orange Färbung aufweist, drei bis vier Grad wärmer ist als ihre Umgebung“, sagt der Erstautor des Artikels, Leigh Fletcher. Das klingt nicht nach einem großen Temperaturunterschied, reicht aber aus, um die Drehrichtung des Sturms, der sich im Großen und Ganzen gegen den Uhrzeigersinn dreht, in einem kleinen Gebiet im Zentrum umzukehren. In anderen Regionen der Jupiteratmosphäre reicht ein solcher Temperaturunterschied aus, um die Windgeschwindigkeiten und Wolkenmuster in den verschiedenen Streifen und Regionen der Atmosphäre messbar abzuändern.
Farbe abhängig von Umweltbedingungen
„Wir konnten mit diesen Beobachtungen zum ersten Mal einen direkten Zusammenhang zwischen den Umweltbedingungen – Temperatur, Wind, Druck und chemischer Zusammenhang – einerseits und der Färbung des GroßenRoten Flecks andererseits nachweisen“, so Fletcher. „Zwar kann derzeit noch niemand sagen, welche Chemikalien oder Vorgänge für die markante rote Farbe des Flecks verantwortlich sind. Aber wir wissen jetzt, dass sie mit Änderungen der Umweltbedingungen im Herzen des Sturms zusammenhängt.“
(ESO, 17.03.2010 – NPO)