Gleich zwei Astronomenteams haben unabhängig voneinander erstmals Wassereis auf der Oberfläche eines Asteroiden nachgewiesen. Das mit organischen Verbindungen gemischte Eis könnte wichtige Hinweise auf einen möglichen kosmischen Ursprung des irdischen Ozeanwassers liefern, wie die Forscher in „Nature“ berichten. Auch das Einschleppen wichtiger Lebensbausteine durch Meteoriten ist nicht auszuschließen.
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Im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter kreisen Tausende von Gesteinsbrocken unterschiedlichster Größe. Sie alle sind Relikte aus der Frühzeit des Sonnensystems, übrig gebliebene Planetenbausteine oder Trümmer von Kollisionen größerer Objekte. Die Brocken besitzen keine Atmosphäre und – wie man lange Zeit annahm, auch kein Wasser in Form von Eis auf ihrer Oberfläche. Wassereis schien den im äußeren Sonnensystem beheimateten Kometen vorbehalten zu sein. „Lange Zeit dachte man, dass Sie im gesamten Asteroidengürtel nicht mal eine Tasse Wasser finden würden“, erklärt Don Yeomans vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena. Heute wissen wir, dass Sie nicht nur Ihren Durst stillen könnten, sondern auch noch jeden Swimmingpool auf der Erde füllen könnten – mindestens.“
Den Durchbruch brachte die Beobachtung des Asteroiden 24 Themis, einem der größten Objekte im Hauptgürtel und Namensgeber einer ganzen Familie von Brocken mit ähnlichen Bahneigenschaften. Schon vor einiger Zeit rückte 24 Themis in den Blickpunkt der Astronomen, weil einige kleinere Mitglieder seiner „Familie“ durch einen Schweif aus Staub und Gas auffielen, wie er auch bei Kometen durch verdampfendes Eis entsteht. Tatsächlich wiesen Untersuchungen von 24 Themis punktuelle Vorkommen von Wassereis und hydratisierten Mineralien nach.
Wassereis auf 24 Themis
Jetzt haben Andrew Rivkin und Joshua Emery von der Johns Hopkins Universität in Baltimore neue Daten geliefert, die das Ergebnis von insgesamt sechs Jahren Beobachtung sind und endgültig die Existenz von Wassereis auf Asteroiden belegen. Die seit 2002 laufenden spektroskopischen Messungen mit Hilfe des NASA-Infrarot-Teleskops auf dem Mauna Kea auf Hawaii zeigten Absorptionssignale in dem vom Asteroiden reflektierten Licht, die nur durch Wassereis, vermengt mit kohlenstoffhaltigem Material auf der Oberfläche des Himmelskörpers erklärt werden können.
Dieses Ergebnis ist auch deshalb überraschend, weil Themis die Sonne in einer Entfernung von “nur” 479 Millionen Kilometern umkreist – nach bisherigen Annahmen viel zu nahe um noch Wassereis aus der Frühzeit des Sonnensystems erhalten haben zu können. Jetzt ist jedoch klar, dass die bisherigen Lehrmeinungen über die Natur solcher Hauptgürtel-Asteroiden überholt sind.
Eis-Reservoir im Untergrund?
Zur gleichen Schlussfolgerung kommt ein zweites Astronomenteam unter Leitung von Humberto Campins von der Universität von Central Florida in Orlando. Ihre spektroskopischen Messungen von 24 Themis decken inzwischen rund 80 Prozent der Asteroidenoberfläche ab. Da angesichts der fehlenden Atmosphäre und der Entfernung von der Sonne das Oberflächeneis eigentlich sofort verdampfen müsste, vermuten die Forscher, dass es im Gestein des Untergrunds ein Wassereis-Reservoir geben muss. Das hier lagernde gefrorene Wasser könnte beispielsweise immer dann an die Oberfläche gelangen, wenn der Asteroid von Gesteinstrümmern und anderen kleineren Objekten getroffen wird und diese die Oberfläche durchdringen.
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„Lebendes Fossil des Sonnensystems“
Die erneute Bestätigung, dass nicht nur auf und in Kometen, sondern auch auf Asteroiden Wassereis existiert, gibt auch den Theorien neue Nahrung, die den Ursprung des irdischen Wassers und einiger organischer Moleküle im All sehen. Die zahlreichen Meteoriteneinschläge in der Frühzeit der Erdgeschichte, so die Annahme, könnten Wasser und Biomoleküle auf die junge Erde gebracht haben. In einem begleitenden „News and Views“-Artikel vergleicht Henry Hsieh von der Queens Universität Belfast den Nachweis von Wassereis auf 24 Themis mit der Entdeckung eines „lebenden Fossils“ – eines Relikts aus dem frühen Sonnensystem, das bisher allgemein als längst verschwunden galt.
„Das ist aufregend, denn es liefert uns ein besseres Verständnis über unsere Vergangenheit – und unsere mögliche Zukunft“, so Yeomans. „Die Forschung deutet darauf hin, dass Asteroiden nicht nur vielverprechende Quellen für Rohstoffe sein könnten, aber auch Tankstellen und Wasserlöcher für zukünftige interplanetarische Erkundung.“
(Nature / NASA, 30.04.2010 – NPO)