Eine vielversprechende Alternative zu bisherigen Biokraftstoffen hat jetzt ein internationales Forscherteam entwickelt: Kraftstoffe auf Basis eines Holzinhaltsstoffs, der Lignocellulose. Der große Vorteil dieser jetzt in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“ vorgestellten Methode: Es gibt keine Konkurrenz zur Nahrungsproduktion und heutige Fahrzeuge könnten ohne Modifikationen damit fahren und das derzeitige Tankstellennetz nutzen.
Der ansteigende Energiebedarf bei abnehmenden Öl- und Erdgasreserven, verbunden mit einer zunehmenden Freisetzung des Klimagases CO2 ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Biokraftstoffe könnten Teil einer Antwort auf diese Herausforderung sein. Die erste Biokraftstoff-Generation basierte jedoch auf Zuckern, Stärke und pflanzlichen Ölen. Da diese Rohstoffe aber vor allem als Nahrungsmittel gebraucht werden, können auf diese Weise nicht die im Transportsektor benötigten Mengen gedeckt werden.
Rohstoff aus holzigen Zellwänden
Eine interessante Alternative stellt deshalb Lignocellulose dar, der Stoff, aus dem die Zellwand verholzter Pflanzen besteht. Dieser Rohstoff ist weiter verbreitet, kostengünstiger und seine Verwendung lässt sich nachhaltiger gestalten. Bisher allerdings ließ sich Lignocellulose nur durch komplexe und teure Aufarbeitung zu Biokraftstoffen veredeln. Es gibt jedoch eine Verbindung, die durch einfache saure Hydrolyse möglicherweise aus Lignocellulose gewonnen werden könnte: Lävulinsäure, ein Produkt, das sonst meist aus Glucose hergestellt und unter anderem als Zusatzstoff in der Kosmetik-, Kunststoff- und Textilindustrie verwendet wird. Aus Lävulinsäure ließen sich bisher jedoch noch keine Kraftstoffe mit zufriedenstellenden Eigenschaften gewinnen.
Jean-Paul Lange und seine Kollegen von Shell in Amsterdam, Hamburg und dem britischen Cheshire fanden nun den richtigen Kniff: Sie hydrieren Lävulinsäure in einem neu entwickelten Verfahren zunächst zu Valeriansäure, die sie dann zu Valeraten verestern. So entsteht eine neue Familie von Kraftstoffen, die so genannten „valerischen Biokraftstoffe“. Sie lassen sich, je nachdem mit welchen Reaktionspartnern sie verestert werden, in Form von Biobenzin oder Biodiesel herstellen und sind mit den derzeitigen Kraftstoffen mischbar.
Einsetzbar ohne Umrüsten
Der große Vorteil: Heutige Fahrzeuge können damit fahren, ohne dass ihre Motoren umgerüstet werden müssten, ebenso könnte das aktuelle Tankstellennetz für den Vertrieb genutzt werden. Die neuen Kraftstoffe haben bereits eine lange Liste harter Tests bestanden. In einem Praxistest wurden zudem zehn gängige Fahrzeugtypen, neu und gebraucht, ausschließlich mit einer Mischung aus normalem Benzin mit 15 Volumenprozent des valerischen Biobenzins betankt und auf die Straße geschickt, um 500 Kilometer pro Tag zurückzulegen. Nach insgesamt 250.000 Kilometern Fahrstrecke waren keine Beeinträchtigungen von Fahrverhalten, Motor, Tank oder Benzinleitungen zu verzeichnen.
(Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V., 12.05.2010 – NPO)