Der Urvogel Archaeopteryx war alles andere als ein Flugkünstler: Biomechanische Analysen enthüllen jetzt, dass seine Federschäfte viel zu schwach waren, um die enormen Belastungen beim Flügelschlag auszuhalten. Diese überraschende, jetzt in „Science“ veröffentlichte Erkenntnis wirft ein neues Licht auf die noch immer strittige Frage, wie sich das Fliegen bei den ersten Vögeln entwickelte.
Der Urvogel Archaeopteryx wurde bereits vor rund 150 Jahren entdeckt – und ungefähr genauso lange hält in Wissenschaftlerkreisen die Debatte darüber an, ob und wie der erste Vogel sich in die Lüfte erhob. Es gibt zwei konkurrierende Theorien: Eine geht davon aus, dass das Fliegen von schnell laufenden Vogelvorfahren entwickelt wurde, die dabei in immer längeren Sprüngen abhoben. Die zweite Theorie postuliert dagegen eine Entstehung „von oben“, aus dem von Baum zu Baum Gleiten der Urvogel.
Biomechanische Eigenschaften von Urfedern analysiert
Jetzt haben Forscher der Universität von Manchester und des University College Dublin neue, überraschende Erkenntnisse gewonnen, die ein ganz neues Licht auf den Ursprung des Fliegens werfen. In ihrer Studie nutzten sie eine neue Art der biomechanischen Analyse um herauszufinden, ob die Federn der Urvögel Archaeopteryx und Confuciusornis überhaupt stark genug waren um das Fliegen zu ermöglichen. Während Archaeropteryx im späten Jura lebte und damit vor rund 150 Millionen Jahren, stammt der anatomisch etwas modernere Confuciusornis aus der frühen Kreidezeit und ist 25 Millionen Jahre jünger.
Federschäfte nicht stabil genug
Die Untersuchungen enthüllen, dass der innere Schaft der Federn bei beiden frühen Vogelformen alles andere als stabil war. Wäre er hohl gewesen, wie die Federkiele der heutigen Vögel, wäre er unter der Last der Tiere und dem Druck des Auftriebs sofort zerbrochen. Um die Last der Tiere in der Luft überhaupt tragen zu können, müssten die Federschäfte von Archaeopteryx und Confuciusornis auf jeden Fall massiv gewesen sein. Ob das tatsächlich der Fall war, lässt sich allerdings aus den bisher bekannten Fossilien beider Formen nicht erkennen.
„Das sind überraschende Ergebnisse”, erklärt Robert Nudds von der Universität von Manchester. „Ich dachte die Federn wären auch mit einer hohlen Rachis stark genug um zu fliegen, aber das ist nicht der Fall. Selbst mit einer massiven Rachis taugten sie dafür nicht. Die beiden waren im Fliegen absolute Nieten.“ Nach Ansicht der Forscher verschiebt dies die Entwicklung des echten, flügelschlagenden Fliegens weiter nach hinten, auf jeden Fall nach der Ära von Archaeopteryx und Confuciusornis.
Für den Flügelschlag reichte es nicht
Geht man davon aus, dass beide Vogelformen massive Federschäfte besaßen, konnten sie allenfalls kurze Strecken gleitend geflogen, nicht aber längere Strecken durch kräftige Flügelschläge zurückgelegt haben. Nach Ansicht von Nudds und seinem Kollegen Gareth Dyke vom University College Dublin war der Vogelflug das Resultat einer langsamen Evolution aus vielen graduellen Veränderungen in Flügelform und –bewegung.
„Archaeopteryx und Confuciusornis sind noch in einem sehr frühen Stadium der Evolution des Fluges”, erklärt Nudds. „Ihre Federn müssen sich sehr von denen moderner vögel unterschieden haben und sie waren sehr schlechte Flieger. Ich glaube, dass die Federn ursprünglich zu Isolation oder als Schmuck dienten und dass sich zeigte, dass sie bei Verlängerung eine Art Fallschirmfläche bildeten, später eine Art Gleitfläche.“
Confuciusornis schlechter als Archaeopteryx
Und noch eine Überraschung hatten die neuen Daten parat: Der deutlich jüngere und eigentlich in vielen Eigenschaften als moderner geltende Confuciusornis war in Bezug auf seine Flugkünste eine noch größere Niete als der ältere Archaeopteryx. „Unsere Analyse zeigt, dass der 25 Millionen Jahre jüngere Confuciusornis ein schlechterer Flieger gewesen sein muss als Archaeopteryx“, so Nudds. „Das stellt die Frage nach der evolutionären Linie: Teilte sich die Dinosaurierlinie vielleicht auf um zu fliegenden und flugunfähige Vögeln zu führen?“
Nudds und Dyke wollen nun weitere fossile Federn analysieren um genauer herauszufinden, wann und wie diese einen flügelschlagenden Flug ausgehalten hätten. Doch Federfunde aus dieser entscheidende Zeit sind extrem rar.
(University of Manchester, 28.05.2010 – NPO)