Eine neue Studie schottischer Wissenschaftler hat gezeigt, dass Menschenaffen mit ihren Gesten eine zielgerichtete Absicht verfolgen und eine konkrete Verhaltensreaktion hervorrufen wollen. Mit ihrem neuen Ansatz, die Gesten systematisch zu erfassen, leisten die Forscher einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der nonverbalen Kommunikation von Menschenaffen, berichtet das Springer-Journal „Animal Cognition“ in seiner Online-Ausgabe.
In ihrer neuen Studie arbeiteten die Biologen um Erica Cartmill und Richard Byrne von der University of St. Andrews mit der so genannten „Goal-Outcome-Matching“-Methode. Dabei wird besonderer Wert auf das Zusammenspiel und die Übereinstimmung von Ziel und Ergebnis gelegt. Das heißt in diesem Fall, dass sowohl die offensichtliche Absicht des Signalgebers als auch die erwünschte Reaktion beim Signalempfänger im Fokus stehen.
Nach dieser Methode wird eine bestimmte Intention einer bestimmten Geste zugeordnet. Diese muss dann in Absicht und Reaktion auch bei mehrmaligem Einsatz immer wieder übereinstimmen.
64 verschiedene Gesten identifiziert
Dann wendeten die Wissenschaftler diese Erkenntnisse auf eine ganze Palette an Gesten der Orang-Utans an, und versuchten dabei vorauszusagen, wie die Tiere darauf reagieren würden. Mit den Ergebnissen erstellten sie schließlich ein Lexikon für Orang-Utan-Gesten und deren Bedeutung.
Die Forscher beobachteten neun Monate lang 28 Orang-Utans in drei europäischen Zoos – dem Twycross Zoo in Großbritannien, dem Apenheul Primate Park in den Niederlanden und dem Durrell Wildlife Conservation Trust in Jersey auf den Kanalinseln. Dabei konnten sie 64 verschiedene Gesten identifizieren, vierzig davon wurden oft genug benutzt, um auf ihre intendierte Bedeutung hin untersucht zu werden.
Diese vierzig Gesten wurden nach Angaben der Wissenschaftler von den Affen mit der Absicht benutzt, eine von sechs sozialen Reaktionen auszulösen: eine Interaktion in Form von Kontakt, Körperpflege oder Spiel anzuregen, das Erbitten eines Gegenstands, das gemeinsame Nutzen eine Gegenstands, Auffordern zu einer gemeinsamen Bewegung, das Abdrängen eines Partners oder das Beenden einer Handlung.
Intention des Signalgebers mit einbezogen
Dann testeten die Forscher ihre Beobachtungen, indem sie überprüften, was der Orang-Utan, der die Geste ausgeführt hatte, tat, wenn die tatsächliche nicht mit der gewünschten Reaktion übereinstimmte. Dabei stellten sie fest, dass die Affen hartnäckiger gestikulierten, wenn ihr Gegenüber nicht in der erwarteten Weise reagierte.
Die Wissenschaftler kommen deshalb zu folgender Schlussfolgerung: „Orang-Utans benutzen Gesten, um bestimmte Reaktionen im Verhalten ihres Gegenübers hervorzurufen. Dies zeigt, dass die Gestik sowohl eine intentionale Bedeutung als auch eine praktische Konsequenz beinhaltet. Die Genauigkeit, mit der wir die Bedeutung der Orang-Utan-Gesten identifizieren konnten, ist darauf zurückzuführen, dass wir erstmals auch die Intention des Signalgebers bei unseren Untersuchungen mit einbezogen haben.“
Gepaart mit einer wiederkehrenden Benutzung von bestimmten Gesten, sei die Goal-Outcome-Matching Methode besonders geeignet, um intentionale Bedeutungen zu identifizieren.
(Springer-Journal „Animal Cognition“, 18.06.2010 – DLO)