Zum ersten Mal haben Forscher im Experiment nachvollzogen, wie energiereiche UV-Strahlen atmosphärischen Stickstoff zu organischen Makromolekülen umwandeln. Dieser Prozess, der überraschenderweise ohne viele Zwischenschritte abläuft, könnte in der Frühzeit der Erde eine Voraussetzung für den Ursprung des Lebens geschaffen haben. Er könnte aber auch den Smog aus organischen Verbindungen in der Atmosphäre des Saturnmonds Titan erklären, wie die Forscher in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) berichten.
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Die Erde und der Saturnmond Titan sind die einzigen planetengroßen Objekte im Sonnensystem, die eine dichte Atmosphäre aus vorwiegend Stickstoff besitzen. Spannend ist dies vor allem deshalb, weil Stickstoff Bestandteil vieler biologisch aktiver Makromoleküle ist, wie beispielsweise der Proteine. In der Frühzeit der Erde muss der molekulare atmosphärische Stickstoff in eine reaktive Form umgewandelt worden sein, die den Einbau in organische Bausteine erleichtert. Wie dies geschehen sein könnte – und vielleicht auch auf dem Saturnmond Titan geschieht – , haben jetzt Forscher der Universität von Arizona in Laborversuchen nachvollzogen.
„Der Titan ist deshalb so interessant, weil seine Stickstoff-dominierte Atmosphäre und organische Chemie uns einen Hinweis auf den Ursprung des Lebens auf der Erde geben könnten“, erklärt Hiroshi Imanaka, Biochemiker an der Universität von Arizona und Leiter des Experiments. „Stickstoff ist ein essenzielles Element des Lebens.“
Bombardement mit energiereicher UV-Strahlen
Ziel des Experiments war es, die Bedingungen in der oberen Atmosphäre des Titan nachzuvollziehen, einem dünneren Stickstoff-Methan-Gemisch, das von extremen UV-Strahlen bombardiert wird. Daten der Raumsonde Cassini hatten darauf hingedeutet, dass bei diesem Prozess organische Moleküle entstehen könnten. Um das nachzubilden, nutzten Imanaka und sein Kollege Mark Smith das Synchrotron der „Advanced Light Source” am Lawrence Berkeley National Laboratory Kalifornien. Sie beschossen ein in einen Stahlzylinder eingeschlossenes, unter sehr geringem Druck stehendes Methan-Stickstoff-Gemisch mit den energiereichen UV-Strahlen des Synchrotrons.
Mit Hilfe eines Massenspektrometers analysierten sie anschließend die chemischen Verbindungen, die durch die Bestrahlung entstanden waren. Doch die ersten Messungen waren enttäuschend: In den aus dem Zylinder entnommenen Gasen fand sich keine Spur von stickstoffhaltigen organischen Verbindungen. Die Forscher glaubten zunächst an einen Fehler im Versuchsaufbau und wiederholten das Ganze mehrfach mit leicht veränderten Bedingungen. Doch noch immer fand sich keine Stickstoffverbindung.
Fest statt gasförmig
„Das wir ein ziemliches Rätsel”, erklärt Imanaka. „Wo war der Stickstoff hin verschwunden?“ Diese Frage klärte sich erst, als die Wissenschaftlereine Probe der bräunlichen Schicht analysierten, die sich an den Wänden des Zylinders abgelagert hatte. „Da fand ich endlich den Stickstoff“, so der Forscher. Der Großteil des Elements hatte sich offenbar direkt zu festen Verbindungen statt zu gasförmigen reagiert.
Dieses Ergebnis ist überraschend, da bisherige Modelle einer solchen Reaktion immer davon ausgegangen waren, dass der Stickstoff in einem allmählichen, schrittweisen Prozess von gasförmigen zu festen Molekülen umgewandelt wird.
Erklärung für Smog in Titanatmosphäre?
Nach Ansicht von Imanaka und Smith könnten solche festen Verbindungen auch in der oberen Atmosphäre des Titan gebildet werden und dann auf die Oberfläche des Mondes herabsinken. Dort könnten sie dazu beitragen, potenziell lebensfördernde Bedingungen zu schaffen. Tatsächlich belegen Daten von Raumsonden die Existenz einer dichten Smogschicht aus organischen Molekülen in der Titanatmosphäre. Sie ist auch für deren Orangefärbung verantwortlich.
Bisher ist jedoch nicht bekannt, ob dieser organische Smog Stickstoffverbindungen enthält. Sollten sie tatsächlich den jetzt im Labor erzeugten Partikeln gleichen, wäre dies eine mögliche Parallele zur Urerde und ein Hinweis auf lebensfreundliche Bedingungen auf dem Saturnmond, erklärt Smith. In jedem Fall gibt das Experiment der NASA und zukünftigen Messungen durch Raumsonden jetzt gezielte Hinweise darauf, nach was und wo sie suchen sollen.
(University of Arizona, 01.07.2010 – NPO)