Fest verwurzelt und doch mobil: Tropische Waldbaumarten breiten sich mit Hilfe von Vögeln auch in zerstückelten Wald-Agrarlandschaften erfolgreich aus. Bis zu 14,5 Kilometer und damit deutlich weiter als angeommen können Nashornvögel Pflanzensamen mit sich tragen. Das belegen jetzt Forscher anhand von Fütterungsversuchen und der Erfassung der Bewegungsmuster mit besonders leichten GPS-Geräten. Die Ergebnisse wurden vor kurzem online in „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht.
Die Landschaft der Tropen wird durch den Mensch immer mehr zerstückelt. Teile der Wälder müssen landwirtschaftlichen Flächen weichen – übrig bleiben einzelne Waldreste. Pflanzen werden auf diese Weise von ihren Artgenossen isoliert, ein Anpassen an sich verändernde Bedingungen durch „Umziehen“ wird erschwert. Die fest verwachsenen Gewächse brauchen daher „Spediteure“, die ihnen beim Austausch und Transport von Nachkommen und Genen zwischen verschiedenen Waldbereichen helfen. Bis zu 95 Prozent aller tropischen Baumarten werden von Vögeln und andere Wirbeltiere verbreitet. Auf ihnen liegt das daher Hauptaugenmerk, wenn es darum geht zu klären, ob die Vielfalt der Pflanzenarten trotz Fragmentierung der Wälder erhalten bleiben kann.
Trompeter-Hornvogel als Samentransport
Ein deutsches Forscherteam um Katrin Böhning-Gaese vom Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) hat nun den Trompeter-Hornvogel in Südafrika unter die Lupe genommen. Die Frage: Inwieweit können diese Tiere Samen über die vom Menschen genutzten Agrarflächen hinweg in andere Reste des Waldes tragen? „Der zur Familie der Nashornvögel gehörende Trompeter-Hornvogel ist der größte früchtefressende Vogel in Südafrika und an der gesamten Ostküste in großer Anzahl verbreitet. Aus diesem Grund bietet er sich besonders für die Untersuchung an.“ so Böhning-Gaese. Die Verwandtschaft der gefiederten Gesellen mit dem auffälligen Schnabel findet man außer in Afrika auch in den Tropen Asiens.
Wie weit der Pflanzennachwuchs im gefiederten Transporter kommt, hängt von zwei Faktoren ab: Von der Verweildauer im Vogeldarm und von der Länge der Flugstrecke. Um dies herauszufinden, wurden im Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell zunächst Nashornvögel mit verschiedenen Früchten tropischer Bäume gefüttert und anschließend gestoppt, wie viel Zeit vergeht, bis die Vögel die in den Früchten enthaltenen, unverdaulichen Kerne wieder ausscheiden. Ergebnis: höchstens 2,5 Stunden.
Strecken-Messung mit GPS-Sensoren
„Damit wussten wir: das ist die maximale Transportzeit der Pflanzensamen. Deshalb musste die Distanz, die die Tiere in dieser Zeit in freier Wildbahn zurücklegen, festgestellt werden“, erklärt Johanna Lenz, Doktorandin am BiK-F und eine der Leitautoren der Studie. Zum einen verfolgten die Forscher dazu die Vögel in einem geschlossenen Waldgebiet in Südafrika, um zu sehen, wie weit die Vögel sich unter normalen Umständen, bei ausreichender Auswahl an Früchten, in 2,5 Stunden fortbewegen. Außerdem wurden Tiere beobachtet, die sich in einer Agrarlandschaft mit nur zerstückelten Waldflächen bewegten, welche nicht viele Früchte bietet.
Die Vögel wurden dazu mit riesigen Netzen beim Anflug an fruchttragende Bäume gefangen. Dann wurden ihnen Sender umgeschnallt, die die Bewegung der Tiere per GPS auf plus/minus 8m genau erfassen und speichern, und die Tiere wieder freigelassen. Vorgegebene Sollbruchstellen an der Befestigung gewährleisteten, dass der Sender nach dem Experiment vom Vogel abfallen würde. Die Vögel flogen mit äußerst leichtem Gepäck, denn die Sender wogen nur 27 Gramm. „Das Fantastische ist, dass man die Vögel nicht wieder fangen musste, sondern dass man die Sender und die auf ihm gespeicherten Bewegungsdaten der Vögel auf bis zu zwei Kilometer Distanz per Funk auslesen kann“, erklärt Böhning-Gaese. „So konnte man auf einen Schlag die Bewegungsmuster der Vögel erfassen, auch wenn sie sich zwischenzeitlich bis zu 40 Kilometer von ihrem Fangort weg bewegt hatten“.
Transportstrecke länger als gedacht
Die Messungen ergaben, dass die schwerfällig wirkenden Nashornvögel große Strecken bewältigen. Die größte Distanz, die ein Vogel während der maximal 2,5 Stunden dauernden Verdauung der Samen flog, betrug 14,5 Kilometer. Die Strecken waren besonders lang, wenn sich die Vögel in einer Agrarlandschaft mit wenigen Waldresten bewegten. In einem großen, ausgedehnten Waldgebiet mit vielen Bäumen flogen sie eher kürzere Distanzen.
„An diesen Ergebnissen wird deutlich, wie stark die Struktur der Landschaft das Verhalten von Nashornvögeln beeinflusst. Bisher wurde die Fähigkeit der Vögel, so weite Strecken zurücklegen zu können, immer unterschätzt. Jetzt wissen wir: Trompeter-Hornvögel sind in der Lage, über große Distanzen hinweg Pflanzensamen zu verbreiten“, resümiert Böhning-Gaese. Pflanzensamen sind damit zwischen Habitatresten „mobiler“ als bisher angenommen und können durch die tierischen Transporter neue Gebiete erobern, um den sich durch den Klimawandel ändernden Bedingungen hinterher zu „wandern“.
(Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, 09.02.2011 – NPO)