Biologie

Tschernobyl-Bäume passen sich an

Forscher untersuchen Reaktion der Kiefern auf hohe Strahlendosen

Kiefern vor dem Atomkraftwerk in Tschernobyl. © Universität Göttingen

Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor ziemlich genau 25 Jahren hat die Umweltbedingungen in der Region schlagartig geändert. Wissenschaftler haben nun erforscht, wie sich die Folgen des Atomunfalls auf die Kiefern auswirken, die nur wenige hundert Meter vom explodierten Kernkraftwerk wachsen. Ergebnis: die Bäume reagieren unterschiedlich auf hohe Strahlendosen. Während einige Bäume krank wurden, haben sich andere offenbar angepasst.

Ihre Resultate zu den genetischen Veränderungen der Bäume als Antwort auf die hohe radioaktive Strahlung stellen die Forstgenetiker jetzt in der Onlineausgabe der Fachzeitschrift „Environmental Pollution“ vor.

Menschenleere Sperrzone

Das Gebiet 30 Kilometer rund um das havarierte Kernkraftwerk Tschernobyl ist heute eine weitgehend menschenleere Sperrzone. Die um den Reaktor wachsenden Bäume sind dagegen noch immer einer enorm hohen Strahlenbelastung ausgesetzt.

Die Forscher der Universität Göttingen untersuchten nun in ihrer neuen Studie zusammen mit Kollegen aus der Ukraine zum einen Kiefern, die bereits lange vor dem Unfall in der Nähe des Reaktors gepflanzt wurden. Sie waren daher direkt nach der Reaktorkatastrophe einer extrem hohen akuten Strahlung ausgesetzt. Zum anderen wurden Bäume analysiert, die nach dem Unfall in unmittelbarer Umgebung des Reaktors auf extrem verstrahlten Böden gepflanzt wurden. Als Vergleichsbäume dienten jeweils gleichaltrige Kiefern gleichen Ursprungs, die in unbelasteten Gebieten der Ukraine wachsen.

Kiefernzweig mit Nadelverfärbung aufgrund radioaktiver Verstrahlung. © Universität Göttingen

Kiefern wachsen langsamer

Wie die Wissenschaftler herausfanden, wachsen die Kiefern um Tschernobyl langsamer und zeigen vielfältige Abweichungen vom normalen Wuchs eines Nadelbaums wie beispielsweise Nadelverfärbungen oder geänderte Verzweigungsmuster.

Auffällig ist den Forschern zufolge dabei, dass die Bäume unterschiedlich auf die Strahlung reagieren. Einige Kiefern zeigen keine oder nur geringe Krankheitssymptome, bei anderen treten diese gehäuft auf. Außerdem können sich viele Pflanzen nicht anpassen und sterben ab.

Erhöhte Mutationsraten nachgewiesen

Bei den Kiefern rund um den Reaktor konnten die Forstgenetiker zudem erhöhte Mutationsraten nachweisen. Aber auch andere genetische Prozesse veränderten sich durch die hohe Radioaktivität. So wurde bei Genen, denen eine Bedeutung für Anpassungsprozesse an allgemeinen Stress und an erhöhte Strahlung zugeordnet wird, eine erhöhte Aktivität beobachtet. Diese kann für die Pflanzenzellen einen verbesserten Schutz bewirken.

Zudem fanden die Forscher heraus, dass sich die strahlungsempfindliche Erbsubstanz DNA im Zellkern bis zu einem gewissen Grad selbst vor Radioaktivität schützen kann. „Für uns war es sehr überraschend, dass wir an vielen Regionen des großen Genoms der Kiefer Veränderungen beobachten konnten, die offenbar als Anpassung auf die erhöhte Strahlung zu sehen sind“, so der Leiter des Forschungsprojekts, Professor Reiner Finkeldey.

Die Untersuchungen ergaben auffällige Unterschiede in den genetischen Strukturen der untersuchten Kiefernbestände. Je nach ihrer genetischen Konstitution sind die Bäume unterschiedlich gut an erhöhte Strahlung angepasst. Die plötzliche Umweltveränderung durch die Explosion des Reaktors setzt nach Angaben der Wissenschaftler demnach Ausleseprozesse in Gang, die auch bei so langlebigen Organismen wie Waldbäumen eine verbesserte Anpassung bewirken. (Environmental Pollution, 2011)

(Universität Göttingen, 20.04.2011 – DLO)

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