Astronomie

Mond-Inneres genauso wasserreich wie die Erde

Erste direkte Messung von Magmen-Einschlüssen ergibt 100fach höheren Wassergehalt

Winzige Kügelchen von geschmolzenem Gestein, die in erstarrtem Lavagestein des Mondes eingeschlossen sind. © Thomas Weinreich / Department of Geological Sciences, Brown University

Das Innere des Mondes enthält fast hundert Mal mehr Wasser als bisher angenommen und genauso viel, wie der wasserreiche obere Erdmantel. Dieses überraschende Ergebnis brachten Analysen von in Kristallen eingekapselten Magmen-Einschlüssen in Gesteinsproben der Apollo 17 Mission. Die jetzt in „Science“ veröffentlichten Daten werfen auch ein neues Licht auf die gängige Theorie der Mond-Entstehung durch eine kosmische Kollision – möglicherweise fand sie doch nicht statt.

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Im Vergleich zu den äußeren Planeten und vielen Meteoriten enthalten die Erde und die anderen inneren Planeten des Sonnensystems relativ wenig Wasser und flüchtige Elemente. Sie waren in diesem inneren Teil der Urwolke während der Planetenbildung eher selten. Weil auch der Mond bisher als verarmt galt in Bezug auf Wasser und Co. wurde dies auch als Beleg für seine katastrophale Entstehung gesehen – durch die Kollision eines fast marsgroßen Objekts mit der frühen Erde.

Suche in Apollo 17-Proben von orange-farbenem Vulkanglas

Jetzt allerdings hat ein amerikanisches Forscherteam unter Leitung von Erik Hauri von der Carnegie Institution in Washington neue Informationen gewonnen die ein völlig anderes Licht auf den Mond und seine Geschichte werfen. Die Wissenschaftler untersuchten winzige Kügelchen von geschmolzenem Gestein, so genannte Schmelzeneinschlüsse, die erstarrtem Lavagestein des Mondes eingeschlossen sind. Um sie zu finden, durchmusterte Thomas Weinreich von der Brown Universität Tausende von Kügelchen des titanhaltigen, orange gefärbten vulkanischen Glases, die der Astronaut Harrison Schmitt während der Mondmission Apollo 17 sammelte und zur Erde zurückbrachte.

Nach langer Suche fanden sich schließlich zehn Körnchen, die die gesuchten Einschlüsse enthielten. „Im Gegensatz zu den meisten vulkanischen Ablagerungen sind die Schmelzeneinschlüsse von Kristallen umgeben, die ein Entweichen von Wasser und anderen flüchtigen Stoffen während der Eruption verhindern“, erklärt James Van Orman von der Case Western Reserve Universität. „Diese Proben liefern uns daher den besten Einblick, den wir haben, um die Menge des Wassers im Inneren des Mondes abzuschätzen.“

Eingekapselte Einschlüsse genauso wasserreich wie Erdmantel

Mit Hilfe einer Elektronenstrahlmikrosonde ermittelten die Forscher dann den Wassergehalt dieser winzigen, im Vulkanglas konservierten Gesteinseinschlüsse. Das Ergebnis war überraschend: Die Einschlüsse enthielten bis zu 100 Mal mehr Wasser als bisher in Mondgestein gefunden wurde. In ihrer Zusammensetzung von 615 bis 1410 ppm Wasser, 50 bis 78 ppm Fluor, 612 bis 877 ppm Schwefel und 1,5 bis 3,0 ppm Chlor ähneln die gemessenen flüchtigen Substanzen sehr stark dem von Basaltgesteinen aus dem oberen Erdmantel. Die Werte dieser geschützten Einschlüsse sind direkte Messungen und bedürfen im Gegensatz zu vorherigen Analysen an Apatit-Mineralen keiner Extrapolationen oder Korrekturen zum Ausgleich nachträglich erfolgter Prozesse.

Entsprechend weitreichend ist dieses Ergebnis. „Die Ergebnisse zeigen, dass der Mond der einzige bekannte planetare Körper in unserem Sonnensystem ist, der ein internes Reservoir mit einem Wassergehalt besitzt, der ähnlich dem des oberen Erdmantels ist“, erklären die Forscher in ihrem Science-Artikel. „Vorherige Schätzungen des lunaren Reservoirs hoch-flüchtiger Elemente sind dadurch verfälscht und zu niedrig, dass die bisher untersuchten lunaren Proben stark ausgegast gewesen sind.“

Indiz gegen die Impakt-Theorie?

Sollten ähnliche Wassergehalte auch in Vulkanglas-Einschlüssen von anderen Probenstellen auf dem Mond gemessen werden, könnte dies auch die bisher gängige Theorie r Mondentstehung ins Wanken bringen. „Die hydratisierte Natur von mindestens einem Teil des Mondinneren ist nicht konsistent mit der Annahme, dass der Mond seine gesamten flüchtigen Substanzen durch Ausgasen ins All nach einem energiereichen Riesenimpakt verloren hat“, so die Forscher. „Das hätte ein extrem ausgetrocknetes Mondinneres hinterlassen müssen.“

Entscheidend sei nun die Frage, ob sich die Zusammensetzung der flüchtigen Substanzen bei Mond und Erdmantel ähnelten oder nicht. Wenn nicht, dann wäre dies ein starkes Indiz gegen einen Impakt. Wenn ja, dann könnte es sein, dass ein Teil des gemeinsamen Ursprungs von Erdmantel und Mondinnerem vielleicht doch die weiträumige Schmelze nach dem Impakt überstanden hat ohne auszugasen.

Krater-Wassereis aus dem Untergrund statt aus dem All?

Die neuen Ergebnisse werfen aber auch ein anderes Licht auf die Funde von Wassereis in einigen polnahen Mondkratern. Bisher sahen Planetenforscher in diesem Wasser ein Relikt vergangener Einschläge von Kometen und Asteroiden. Möglich wäre nach jetziger Erkenntnis aber auch, dass zumindest ein Teil dieses Eises nicht aus dem Weltraum, sondern aus dem magmatischen Gestein des Mondes selbst stammt.

(Carnegie Institution, 27.05.2011 – NPO)

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