Ein Team von europäischen Astronomen hat den entferntesten bisher bekannten Quasar entdeckt und näher untersucht. Das Licht der aktiven Galaxie ULAS J1120+0641 braucht 12,9 Milliarden Jahre um uns zu erreichen. Nachgewiesen wurde diese Entfernung mit Hilfe des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) und weiteren Teleskopen über die Rotverschiebung des aufgefangenen Lichts. Angetrieben wird der Quasar von einem Schwarzen Loch mit zwei Milliarden Sonnenmassen in seinem Zentrum, dessen Sog große Mengen Materie verschlingt und dabei die Strahlung erzeugt. Sie macht ihn zum leuchtkräftigsten Objekt, das bislang im frühen Universum entdeckt wurde, so berichten die Astronomen in „Nature“.
Quasare sind extrem helle, weit entfernte Galaxien, deren Leuchtkraft vermutlich von supermassereichen Schwarzen Löchern in ihren Zentren erzeugt wird. Ihre große Helligkeit macht Quasare zu Leuchtfeuern, die uns helfen können, das Zeitalter der Entstehung der ersten Sterne und Galaxien zu untersuchen. Auf der Suche nach weit entfernten Quasaren durchforstete ein internationales Astronomenteam Millionen von Einträgen in der Datenbank der Himmelsdurchmusterung „European UKIRT Deep Sky Survey“ (UKIDSS), die derzeit mit dem Infrarotteleskop UKIRT auf Hawaii durchgeführt wird und besonders tief ins Weltall blicken soll.
Dabei landeten sie einen Volltreffer: „Dieser Quasar verschafft uns wertvolle Einblicke in das frühe Universum. Es handelt sich um eine sehr seltenes Objekt, das uns helfen wird, zu verstehen, wie supermassereiche Schwarze Löcher einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall an Masse zugenommen haben”, erklärt Stephen Warren, der Leiter des Wissenschaftlerteams.
Rotverschiebung ergibt Entfernung von 12,9 Milliarden Lichtjahren
Da das Licht sich nur mit endlicher Geschwindigkeit ausbreitet, schauen Astronomen bei Beobachtungen ferner Objekte immer auch zurück in der Zeit. Während der Milliarden Jahre, die das Licht ferner Objekte braucht, um die Erde zu erreichen, dehnt sich das Universum aber auch weiter aus. Das Licht wird dabei mitgedehnt, seine Wellenlänge verändert sich leicht in den langwelligeren Bereich. Das Ausmaß dieser so genannten Rotverschiebung verrät Astronomen daher, wie weit ein Objekt von uns entfernt ist.
Im Falle des Quasars ULAS J1120+0641 maßen die Astronomen eine Rotverschiebung von 7,1, sein Licht brauchte daher 12,9 Milliarden Jahre, um uns zu erreichen. Die Rotverschiebung und damit auch die Entfernung von ULAS J1120+0641 wurden durch Beobachtungen mit dem FORS-Instrument am Very Large Telescope (VLT) der ESO und mit Instrumenten am Gemini-Nord-Teleskop bestimmt. „Wir brauchten fünf Jahre, um ULAS J1120+0641 zu finden”, erklärt Bram Venemans, einer der Autoren der Studie. „Eigentlich waren wir auf der Suche nach einem Quasar mit einer Rotverschiebung von mehr als 6,5. Dass wir ein noch so viel weiter entferntes Exemplar entdeckt haben – mit einer Rotverschiebung von mehr als 7 – war eine angenehme Überraschung.“
Blick zurück in eine Zeit kurz nach dem Urknall
Mit seiner Helligkeit und seinem großen Alter eröffnet der Quasar den Astronomen einen wertvollen Blick zurück in die Vergangenheit des Universums: „Dieser Quasar ermöglicht uns einen tiefen Blick in das Zeitalter der Reionisation und eröffnet uns damit die einzigartige Gelegenheit, eine 100 Millionen Jahre umfassende Zeitspanne in der Anfangsgeschichte des Kosmos zu erforschen, die bisher unzugänglich gewesen ist”, so Venemans. Das so genannte Zeitalter der Reionisation fand vermutlich zwischen 150 Millionen und 800 Millionen Jahren nach dem Urknall statt. Damals wandelte sich das kurz nach dem Urknall entstandene kalte, nicht geladene Wasserstoffgas durch das intensive ultraviolette Licht der jungen Sterne um: Die neutralen Wasserstoffatome zerfielen teilweise in geladene Teilchen – Ionen – und bildeten positive Protonen und negativ geladene Elektronen. Erst diese Reionisation machte das anfangs von den dunklen Gaswolken vernebelte Universum wieder durchsichtiger und erlaubt es uns heute letztlich, das Licht der Sterne zu sehen.
Der jetzt entdeckte Quasar ist zwar nicht das am weitesten entfernte aller bekannten kosmischen Objekte, aber mehrere hundert Mal heller als alle anderen. Er ist damit das mit Abstand fernste Objekt, das hell genug ist, um eine detaillierte Untersuchung zu ermöglichen. Aus seinem Spektrum lassen sich neben der Rotverschiebung daher noch umfangreiche weitere Erkenntnisse über den Quasar gewinnen.
Zentrales Schwarzes Loch überraschend groß
So haben die Beobachtungen gezeigt, dass das Schwarze Loch im Zentrum von ULAS J1120+0641 etwa zwei Milliarden Sonnenmassen enthält. Das ist überraschend, denn die gängigen Theorien zum Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher sagen eine nur langsame Massenzunahme voraus, während derer das kompakte Objekt Materie aus seiner Umgebung einfängt. In diesen Theorien ist daher schwer zu erklären, wie ein Objekt bereits so kurz nach dem Urknall eine derart große Masse haben konnte.
„Wir vermuten, dass es am gesamten Himmel nur ungefähr 100 helle Quasare mit einer Rotverschiebung von mehr als 7 gibt”, schließt Daniel Mortlock, der Erstautor des Fachartikels. „Um ULAS J1120+0641 zu finden, war eine langwierige Suche nötig. Doch das Ergebnis war den großen Aufwand allemal wert – wir konnten dem frühen Universum einige seiner Geheimnisse entlocken.” (Nature, 2011; doi:10.1038/nature10159)
(European Southern Observatory – ESO, 30.06.2011 – NPO)