Zoologie

Vampirfledermaus: Blutjagd mit Infrarotsensor

Hochsensibler Wärmesinn sitzt in den Nasengruben

Die in Südamerika heimische Vampirfledermaus Desmodus rotundus ist das einzige Säugetier, das sich allein von Blut ernährt. © Pascual Soriano

Blutsaugende Vampirfledermäuse tragen winzige, hochsensible Wärmesensoren in ihrer Nase. Mit Hilfe dieser molekularen Infrarotfühler können sie ihre Opfer zielsicher dort beißen, wo eine mit warmem Blut gefüllte Vene direkt unter der Haut liegt. Wie dieser Sensor funktioniert, hat jetzt ein internationales Forscherteam aufgeklärt.

Bekannt war bereits, dass die in Südamerika heimischen Vampirfledermäuse drei blattförmige Gruben an der Nase besitzen. In diesen liegen Ausläufer des Gesichtsnervs, die besonders stark auf Temperaturen oberhalb von 29 Grad Celsius ansprechen. An den Enden dieser Nervenfasern entdeckten die Wissenschaftler um Elena Gracheva von der University of California in San Francisco nun die entscheidende Struktur: Ein Molekül, das auch vom Menschen und anderen Säugetieren bekannt ist, aber von den Fledermäusen leicht modifiziert wurde. TRPV1 dient in der menschlichen Zunge, der Haut und den Augen als Schmerz- und Verbrennungssensor.

„Die Vampirfledermäuse haben diesen bereits hitzesensiblen Kanal so verändert, dass seine Temperaturschwelle nun um rund 30 Grad Celsius niedriger liegt“, berichten die Forscher in der aktuellen Titelgeschichte des Fachmagazins „Nature“. Der neu entdeckte Infrarotsensor erlaubt es den Tieren, eine Wärmequelle noch aus 20 Zentimetern Entfernung zu orten. In DNA-Analysen zeigte sich, dass für diese Modifikation nur eine kleine Genänderung nötig war.

Infrarotsinn sonst nur bei Schlangen

Die Vampirfledermäuse Südamerikas sind die einzigen bekannten Säugetiere, die sich allein von Blut ernähren. Die nur wenige Zentimeter großen Tiere nähern sich schlafenden Kühen, Ziegen oder Vögeln am Boden laufend und durchbohren mit ihren rasiermesserscharfen Zähnen deren Haut. In Südamerika werden immer wieder auch Menschen gebissen. Die Fledermäuse trinken zwar nur wenige Milliliter Blut, können aber Krankheiten wie die Tollwut übertragen.

Neben den Vampirfledermäusen besitzen unter den Wirbeltieren nur noch Boas, Pythons und Grubenottern die Fähigkeit, Infrarotstrahlung direkt wahrzunehmen. Ihnen allen dienen Ausläufer des Trigeminus-Nervs als Sensoren. Für die Grubenotter war bereits bekannt, dass spezielle Ionenkanäle in den Nervenenden das dreidimensionale Infrarotbild ihrer Umgebung erzeugen. Auch Vampirfledermäuse nutzen Ionenkanäle, allerdings andere als Grubenottern, wie die aktuelle Studie zeigt.

Ihren hochsensiblen, aus einem umgebauten Schmerzsensor bestehenden Infrarotsensor verbirgt die Vampirfledermaus Desmodus rotundus in ihren drei Nasengruben. © Pascual Soriano

Unterschiedliche Sensorvarianten in Nase und Restkörper

Die Forscher sequenzierten Gene aus dem Nasengewebe wildlebender Vampirfledermäuse der Art Desmodus rotundus. Dabei zeigte sich, dass das Gen für den Ionenkanal TRPV1 in besonderer Weise umgebildet war: In den leicht vergrößerten Nervenknoten der Trigeminus-Ausläufer sorgte es dafür, dass das Ende des TRPV1-Moleküls beschnitten und damit leicht verkürzt wurde. In den näher an der Wirbelsäule liegenden Nervenknoten jedoch blieb das Molekül intakt.

Dieses „alternative Splicing“ erst ermögliche es, dass der Ionenkanal in der Nase als Wärmesensor fungiert, überall sonst am Körper aber weiterhin Schmerz- und Verbrennungsreize signalisiert, sagen die Forscher.

Der Aufbau des TRPV1-Gens bestätige zudem die stammesgeschichtliche Einordnung der Vampirfledermäuse in die Säugetiergruppe der so genannten Laurasiatheria. Zu diesen gehören auch Kühe, Hunde oder Maulwürfe, nicht aber die Nagetiere oder der Mensch. (Nature, 2011; DOI: 10.1038/nature10245)

(Nature / University of California / dapd, 04.08.2011 – NPO)

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