Forscher haben in Marokko 240 Millionen Jahre alte unterirdische „Gemeinschaftswohnungen“ von Wirbeltieren entdeckt. Die einzigartigen Höhlensysteme wurden damals offfenbar von Ur-Reptilien gebaut und zusammen bewohnt. Die urzeitlicihenBaumeister waren dabei etwa so groß wie heutige Erdmännchen. Der Fund repräsentiere den zweitältesten Beleg für kommunales Grabeverhalten bei Landwirbeltieren und das älteste Beispiel dafür aus tropischen Breiten, schreiben die Paläontologen in der Fachzeitschrift „Palaios“.
Schon vor 300 Millionen Jahren war die Fähigkeit Höhlen zu graben unter Landwirbeltieren wahrscheinlich weit verbreitet. Dennoch gab es bisher kaum Hinweise auf unterirdische Höhlen, die von Tieren mit ausgeprägtem Sozialverhalten bewohnt wurden. Indizien dafür fand im Frühjahr 2008 ein deutsch-marokkanisches Forscherteam im Argana Basin des Atlasgebirges. Sie stießen dort auf die Relikte von 60 unterirdischen Bauten aus der Frühzeit der Dinosaurier.
Komplexes System verzweigter Gänge
Jetzt ist es den Forschern um Sebastian Voigt von der Technischen Universität Bergakademie Freiberg gelungen, die Gestalt der unterirdischen Wohnanlagen zu rekonstruieren. Ihre Komplexität mit den vielen Kammern und Gängen deute daraufhin, dass sie von Herdentieren stammten, berichten die Forscher. Die Analysen hätten gezeigt, dass die Bauten mindestens zwei Eingänge besaßen. Diese seien über flach absteigende, spiralig verdrehte Tunnel in ein vielverzweigtes System von Kammern gemündet.
Die Wohnanlagen waren zudem mit Nischen, Ausweichstellen und meterlangen unterirdischen Gewölben ausgestattet. Dies seien eindeutige Hinweise dafür, dass mehrere Urzeitlebewesen die Gangsysteme gleichzeitig nutzten. „Die zugehörigen Tiere müssen Meister im Tiefbau gewesen sein“, sagen die Forscher.
Bewohner des Baus waren vermutlich Erdmännchen-große primitive Reptilienformen oder säugetierähnliche Reptilien. Das schließen die Forscher aus den kleineren Durchmessern der Baue und den Spuren von vierbeinig laufenden Tieren in der Umgebung. Vertreter beider Gruppen waren vor etwa 250 bis 200 Millionen Jahren weltweit verbreitet.
Höhlen als Schutz und „Klimaanlage“
Die Gruppenbildung und die perfekte Anpassung an ein Leben im Untergrund könnten entscheidende Überlebensvorteile für die Tiere gewesen sein, mutmaßen die Paläontologen. Denn damals hätten in Marokko unwirtliche Bedingungen geherrscht. Lang anhaltende Dürreperioden seien damals ebenso typisch gewesen wie sengende Tageshitze und klirrend kalte Nächte.
Die unterirdischen Höhlen glichen diese Extreme wie eine Art Klimaanlage aus. Dies hätte wohl vor allem deshalb effektiv funktioniert, weil die Kammern in dem tonreichen, Feuchtigkeit bindenden Untergrund von Flussniederungen angelegt worden seien, vermuten die Forscher. Offenbar zogen sich die Urzeit-„Erdmännchen“ bei extremen Wetter- und Klimaverhältnissen gemeinschaftlich in die Wohnbauten zurück. (Palaios, 2011; DOI: 10.2110/palo.2011.p11-014r)
(TU Freiberg, 22.09.2011 – NPO)